SN.AT / Panorama / Österreich

Kaum Angebote zu psychischer Gesundheit an den Schulen

Obwohl die Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern deutlich mehr umfasst als Wissensvermittlung, gibt es für sie derzeit kaum Angebote zu psychischer Gesundheit, wie sie in anderen Sozialberufen üblich sind. Das zeigt eine jüngst bei den "Mental Health Days" an Schulen durchgeführte Umfrage unter 2.500 Lehrkräften. Neben mehr Information wäre ein regelmäßiger Austausch im Kollegium und ein Unterstützungsnetz notwendig, forderten Experten am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

Psychische Gesundheit von Lehrern ist noch wenig Thema
Psychische Gesundheit von Lehrern ist noch wenig Thema

Die Lehrerinnen und Lehrer sind laut der Befragung, die an 91 Schulen in acht Bundesländern durchgeführt wurde, am stärksten durch Notengebung, Zeitdruck und die Erziehungsberechtigten gestresst. Bei ihren Schülern sehen sie Handysucht, Leistungsdruck, Mobbing, Ängste bzw. Panikattacken und Depressionen als dominanteste Probleme. Unterstützung im Umgang mit Belastungssituationen bekommen sie der Umfrage zufolge derzeit aber selten.

Leitfäden Mangelware

Weniger als ein Drittel der Befragten gab an, dass es an ihrer Schule einen Leitfaden zum Umgang mit psychischen Krisen gibt. 70 Prozent hatten im vergangenen Schuljahr nie Supervision, also den Austausch zu beruflichen Problemen mit einem Profi. Auch Intervision, um sich im Kollegium auszutauschen, fand bei 80 Prozent nicht statt.

Zwar fühlen sich fast drei Viertel der Befragten durch das Lehrerteam bzw. die Schulleitung in Fragen des psychischen Wohlbefindens unterstützt, 94 Prozent hätten dennoch gerne regelmäßig professionelle Unterstützung durch Psychologen oder Psychotherapeuten. Mehr als die Hälfte der Befragten hat auch bereits Therapieerfahrung.

Schlechte Noten bekommen die Bildungsdirektionen: Zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass von diesen zu wenig zum Thema psychische Gesundheit kommt. Michel Fleck, Direktor der WMS Anton-Krieger-Gasse, sprach von einem "niederschmetternden" Ergebnis": "Für die Lehrerinnen und Lehrer ist die Bildungsdirektion ein Amt, keine Servicestelle." Es bräuchte dort Menschen, die sich Zeit für derartige Fragen nehmen können "und die gibt es einfach nicht".

Mehr Austausch hilft

Um die Lage zu verbessern, müsse man nicht zwingend viel Geld in die Hand nehmen, betonte Andrea Birbaumer, Obfrau der Gesellschaft kritischer Psychologen und Psychologinnen (GkPP). Wichtig wären Präventionsleitfäden, damit nicht erst in der Krise angesetzt werden kann. Darin sollten neben Ansprechpartnern auch Informationen stehen, wie man etwa die ersten Anzeichen eines Burnouts erkennt oder wie man mit einer Panikattacke umgehen kann.

Weitere Hebel seien ein gutes Onboarding für neue Lehrer, Teamteaching, ein Buddysystem aus jungen und erfahrenen Kollegen. Helfen können auch regelmäßige Teamsitzungen zum "Ausraunzen", um zu sehen, dass auch andere Kollegen dieselben Probleme haben.

Das wird etwa auch an Flecks Schule praktiziert. Er habe schlicht nicht die Zeit für Einzelgespräche mit seinen 160 Lehrern, kritisierte er das Fehlen eines mittleren Managements. Auch Unterstützungspersonal gebe es trotz Ausbau immer noch zu wenig. Dafür würde er auch gerne auf einen Lehrerposten verzichten, so Fleck.

Lehrer und Schüler als Einheit

Eine verpflichtende systematische externe Unterstützung für die Pädagogen wie in anderen Sozialberufen hält Birbaumer trotzdem für unbedingt notwendig. Schließlich stünden die Pädagogen in ihrem Beruf nicht nur unter Druck, ihnen fehle oft auch das Rüstzeug für einen gesunden Umgang mit dem Stress.

Im Umgang mit den Schülern plädiert GkPP-Vizeobmann Simon Brandstätter dafür, die Lehrer gut vorzubereiten: Sie sollten etwa wissen, an welche Anlaufstellen sie die Kinder und Jugendlichen anbinden können, etwa die Schulpsychologie oder Schulsozialarbeit. So fühle man sich handlungsfähiger und das sei wichtig, um etwa nicht ins Burnout zu rutschen. Insgesamt müsse das Ziel jedenfalls eine Schulkultur sein, in der sich Lehrer und Schüler als eine Einheit sehen, in der sich alle zuständig fühlen, wenn es jemandem schlecht geht.