"Es ist das eingetreten, was erfahrene Ermittler erwartet haben - nämlich dass die Kriminalität in Österreich im Vorjahr wieder auf Vor-Corona-Niveau zurückgekehrt ist." Mit diesen Worten von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) begann am Montag in Wien die Präsentation der Kriminalstatistik 2022. Mit 488.949 Anzeigen wurden nahezu genauso viele Delikte erfasst wie 2019 - da waren es 488.912. Gegenüber 2021 gab es einen Anstieg von 19 Prozent.
Manche Deliktsfelder sind durch die Pandemie noch deutlicher gestiegen - und steigen weiter. Klarer Corona-Gewinner ist dabei die Internetkriminalität. Nach einem Zuwachs von 29,6 Prozent im Jahr 2021 gab es 2022 erneut ein Plus von 30,4 Prozent. In absoluten Zahlen heißt das: Waren es 2017 noch 16.804 angezeigte Delikte, wuchs dieser Wert auf 28.434 im Jahr 2019, auf 46.179 im Jahr 2021 - und schließlich auf 60.190 Anzeigen im Vorjahr. "Durch Corona hat die Digitalisierung ja Gott sei Dank einen Boost erlebt - leider natürlich auch die Internetkriminalität", bilanzierte Karner, der allerdings auch die "zunehmende Bereitschaft", Fälle in den Bereichen Betrug, Hass, Hackerattacken und Kinderpornografie anzuzeigen, lobte.
Ein sich häufendes Phänomen ist in Österreich der Rechtsextremismus. Ob die sogenannten Neuen Rechten wie etwa die Identitären, die Staatsverweigerer und Reichsbürger sowie die Verschwörungstheoretikerszene: Sie konnten auf den diversen Anti-Coronamaßnahmen-Demos "Werbung für ihre kruden Theorien" machen, sagte der Innenminister. Er verwies auf diesbezüglich 663 angezeigte Personen, 108 Hausdurchsuchungen und 37 Festnahmen. Franz Ruf, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, sprach von 928 rechtsextremistischen Tathandlungen im Vorjahr und freute sich über 554 aufgeklärte Fälle (59,7 Prozent). "225 Delikte fanden im Internet statt", sagte Ruf und verwies auf den Neonazi-Rapper Mr. Bond, der Liedtexte mit nationalsozialistischem und rassistischem Gedankengut im Internet verbreitet hatte. "Mittlerweile ist Mr. Bond zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden."
Einen neuen Höchststand gab es 2022 bei Gewaltdelikten. 78.836 Fälle wurden angezeigt, deutlich mehr als 2020 und 2021 (jeweils rund 67.000), aber auch mehr als im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 mit 73.079 Anzeigen. Beim Drogenhandel sank die Zahl der Delikte von 2019 (43.329) auf 2022 (34.928) merkbar in etwa auf das Niveau von 2021. Der Vertrieb von Suchtgift sei, so führte der Chef des Bundeskriminalamts, Andreas Holzer, aus, vor allem im Darknet und via Messengerdienste auf dem Vormarsch. "Bei Europol warten derzeit eine Milliarde Chats auf ihre Auswertung. In Österreich wurden mehrere Hundert Personen festgenommen, es gibt Tausende Verdächtige, gegen die aktuell ermittelt wird."
Was die Aufklärungsquote angeht, so zeigte sich Franz Ruf zufrieden: "Sie lag 2022 bei 52 Prozent. Das sind zwar drei Prozentpunkte weniger als 2021, aber es ist ein ähnlicher Wert wie 2019." In Tirol war sie mit 61,7 Prozent am höchsten, im Burgenland mit 35 Prozent am niedrigsten. Dies habe vor allem daran gelegen, dass rund 80 Prozent der illegalen Migration durch Schlepper nach Österreich über die Grenzen zum Burgenland erfolgt sind. "Das drückt natürlich auf die Aufklärungsquote."