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Menschenhändlerring von Tirol ausgehend ausgehoben

Ein international agierender Menschenhändlerring ist ausgehend von einem Fall im Tiroler Oberland ausgehoben worden. Ein Netzwerk, bestehend aus 28 Beschuldigten, soll zwischen Mai 2021 und August 2024 insgesamt 45 Frauen von Kolumbien nach Österreich gelockt und zur Prostitution gezwungen haben. Elf Personen wurden festgenommen, davon drei in Salzburg. Der mutmaßliche türkische Hauptbeschuldigte befand sich noch auf der Flucht, hieß es am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

Für Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) war damit ein "schwerer Schlag gegen den Menschenhandel und die organisierte Kriminalität" gelungen", sagte er bei dem Medientermin in der Tiroler Landespolizeidirektion in Innsbruck. Nach drei Jahren Ermittlungen befanden sich nun zehn Tatverdächtige in Haft. Drei der Beschuldigten sind in Salzburg in Untersuchungshaft, darunter eine 32-jährige Österreicherin und eine 31-jährige Rumänin. Bereits Mitte Oktober steht ein mehrtägiger Prozess in der Causa an. Die weiteren Verdächtigen sitzen in Spanien sowie Kolumbien in Haft, Auslieferungsverfahren wurden bereits eingeleitet. Der mutmaßliche Kopf des Netzwerks dürfte sich in der Türkei verstecken.

Routine-Kontrolle in Ischgl als Auslöser

Den Anstoß für die umfangreichen Ermittlungen hatte eine routinemäßige Rotlichtkontrolle im September 2022 in Ischgl im Tiroler Bezirk Landeck gegeben. Bei der Befragung einer Kolumbianerin ergab sich die Vermutung, dass sie Opfer von Menschenhandel sein könnte. "Sie musste den Großteil ihres Geldes an einen Mann weitergeben", beschrieb die Leiterin des Tiroler Kriminalamts, Katja Tersch, das erste Aufkeimen des Verdachts. Im Zuge der Ermittlungen stießen die Beamten auf weitere Opfer.

Bundeskriminalamtsleiter Andreas Holzer sprach von einer "typischen, kriminellen Vereinigung", die sich anschließend herauskristallisierte. Sie war sehr "arbeitsteilig" vorgegangen. Die Frauen wurden unter falschen Versprechungen von Kolumbien nach Österreich gelockt. Bei der Ankunft hatten sie bereits "Schulden" in der Größenordnung von 10.000 Euro "angehäuft", die sie "abarbeiten" mussten. Im Jahr 2022 fanden dann bereits erste Hausdurchsuchungen statt und die Beschuldigten flüchteten. Dabei wurden zahlreiche Beweismittel wie Handys sowie Bargeld beschlagnahmt. Es wurde davon ausgegangen, dass die Bande einen Umsatz von rund zwei Millionen Euro "erwirtschaftet" haben soll.

Fünf Festnahmen in Medellin

Nach der Flucht führten die Kriminellen ihre Aktivitäten jedoch über "Strohmänner" und selbstlöschende Messenger-Dienste weiter. In weiterer Folge habe es "massive Zeugenbeeinflussungen", Erpressungen und Gewalttaten gegeben - eine mündete in Kolumbien sogar in der Ermordung eines Bandenmitglieds.

Im September 2025 wurden schließlich im Rahmen einer "Aktionswoche" fünf Verdächtige im kolumbianischen Medellin festgenommen, Europol berichtete im Anschluss darüber. Von den derzeit zehn Inhaftierten waren indes fünf Männer und fünf Frauen aus Österreich, Rumänien, Kolumbien und Uruguay. Die Frauen sollen etwa für die Anwerbung, den Transport von Kolumbien über Istanbul nach Österreich, fürs Dolmetschen sowie für die "Buchungen" der Frauen zuständig gewesen sein. Die Opfer waren in Hotels bzw. den Wohnungen der Beschuldigten untergebracht und wurden von dort aus zu den Freiern gebracht.

Der "Chef" des Netzwerks hatte indes "sehr, sehr strenge Regeln" aufgestellt. "Jegliche Missachtung ist mit hoher Gewaltanwendung bestraft worden", beschrieb Tersch das Martyrium der Frauen. Zudem wurde auf Opfer, die aussagen wollten, extremer Druck ausgeübt: "Es wurde gedroht, dass Angehörige verstümmelt oder getötet werden." Die Frauen befanden sich mittlerweile wieder zum Großteil in Kolumbien.

Internationale Polizeiarbeit gelobt

Für Innenminister Karner, der auch wegen der Dienstagabend anstehenden Verleihung des österreichischen Sicherheitspreises in Tirol war, zeigte die Zusammenarbeit zwischen mehreren Landeskriminalämtern, dem Bundeskriminalamt, Europol sowie der kolumbianischen Polizei den Erfolg von "internationaler Vernetzung". Dem pflichtete auch der ebenfalls anwesende Leiter des Bereichs Menschenhandel von Europol, Nenad Naca, bei. Er erinnerte daran, dass die organisierte Kriminalität zunehme und sehr einfach von einem anderen Kontinent aus agieren könne.

Auch für Tirols Landespolizeidirektor Helmut Tomac zeigte der Fall, wie nationale und internationale Zusammenarbeit gut und "flexibel" funktionieren könne. Die Routinekontrollen im Rotlichtbereich würden indes "Früchte" tragen. Bereits heuer seien 450 diesbezügliche Wahrnehmungsmeldungen eingegangen. Rund 90 Prozent der Sexarbeiterinnen, die in Bordellen und Laufhäusern arbeiten, kommen aus Rumänien. Die bis zu 140 Dienstleisterinnen im Internet würden ihre Tätigkeit indes häufig nicht freiwillig ausüben, hielt er fest.