Es ist ein gewohntes Bild in Österreich: Gäste sitzen mit einer Zigarette in der Hand beim Bier oder Kaffee, über eine Zeitung gebeugt oder ins Gespräch vertieft in Cafés und Gaststätten. Rauchschwaden wabern durch den Raum oder kräuseln sich unter der Decke. Das Land gilt als eines der letzten Raucherparadiese in Europa. Ärzte und Nichtraucherschützer kritisieren dies vehement. Die Gastronomie hingegen fürchtet finanzielle Einbußen bei strengeren Regelungen. Seit Anfang des Jahres ist die Debatte wieder in Fahrt gekommen.
"Wir haben keinen Nichtraucherschutz", stellt der Vorsitzende der österreichischen Schutzgemeinschaft für Nichtraucher, Robert Rockenbauer, zum heutigen Welt-Nichtrauchertag fest. In unzähligen Restaurants und Gaststätten im Land werde Rauchen toleriert. "Österreich ist der Aschenbecher Europas", sagt er.
In kleinen Gaststätten ist Rauchen überall erlaubtLaut nationalem Tabakgesetz können Betreiber in ihren Lokalen separate Raucherräume einrichten, solange im "Hauptraum" Rauchverbot gilt. In kleinen Gaststätten, die nur über einen Raum verfügen oder kleiner als 50 Quadratmeter sind, ist Rauchen erlaubt. In Lokalen zwischen 50 und 80 Quadratmetern gilt kein Rauchverbot, wenn brand- oder denkmalschutzrechtliche Vorschriften die Abgrenzung eines Raucherraums verhindern.
"Das bestehende Gesetz muss dringend vereinfacht werden", sagt Rockenbauer. Hinzu komme, dass die ohnehin ungenügenden Regelungen oft nicht eingehalten würden, da es an Kontrollen mangele. "Die gesamte Gastronomie müsste rauchfrei sein", sagt er.
Gastronomie fürchtet UmsatzeinbußenDiskussionen löste zuletzt auch eine Entscheidung des Parlaments aus: Demnach ist das Durchqueren eines Raucherraums in Restaurants und Kneipen zumutbar. Die Abgeordneten reagierten damit auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs, der sich auf die Seite der Nichtraucher geschlagen hatte. Danach sollten Wege wie der zur Toilette ohne Belästigung durch Rauch erfolgen können. In der Gastronomie hatte dies für große Unruhe gesorgt.
"In etlichen Lokalen könnten durch ein komplettes Rauchverbot Gäste wegbleiben, was finanzielle Einbußen zur Folge hätte", sagt Thomas Wolf von der österreichischen Wirtschaftskammer. Vor allem Discos und Bars wären betroffen. Zudem habe die Branche seit einer Gesetzesänderung 2009 rund 100 Millionen Euro in die Errichtung separater Raucherräume und die Installation von Lüftungen investiert. Rund 12.000 Betriebe seien betroffen gewesen. 2009 war das derzeit gültige Gesetz in Kraft getreten, davor gab es in der Gastronomie keine Rauchverbote. "Es geht auch darum, dass sich die Branche auf gesetzte gesetzliche Regelungen verlassen kann", sagt Wolf.
Junge Mädchen rauchen oftDie Wiener Ärztekammer beklagt hingegen den nach wie vor mangelnden Nichtraucherschutz und fordert einen "nationalen Schulterschluss gegen das Rauchen". Strengere Gesetze und höhere Zigarettenpreise seien nötig. Seit 2005 sind die Raucherzahlen im Land laut Ärztekammer gleichbleibend hoch. Besonders besorgniserregend sei die Situation bei 15-jährigen Mädchen, der Anteil der Raucherinnen liege bei fast 30 Prozent.
"Wir haben einen Raucherschutz und keinen Nichtraucherschutz in Österreich", kritisiert auch der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, Reinhold Kerbl. Nach Angaben der Ärztekammer stirbt in Österreich stündlich ein Mensch infolge des Rauchens, drei Menschen täglich zudem an den Folgen des Passivrauchens.
Land ist Schlusslicht bei NichtraucherschutzIm internationalen Vergleich schneidet Österreich denkbar schlecht ab: Nach einer aktuellen Studie der europäischen Krebsliga (ECL) ist das Land beim Nichtraucherschutz Schlusslicht in Europa. Bei der Bewertung spielten unter anderem Zigarettenpreise, Rauchverbote, Ausgaben für Informationskampagnen, die Größe von Warnungen auf Zigarettenpackungen sowie Angebote zur Raucherentwöhnung eine Rolle. Anzeichen der Besserung gebe es kaum, hieß es in dem Bericht.
Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) fordert anlässlich des Welt-Nichtrauchertages am 31. Mai die Aufhebung der Ausnahmeregeln für die Gastronomie. Das "Herumeiern in dieser Frage" gehe vielen Leuten auf die Nerven, sagte er. Für eine eindeutige Regelung fand sich bislang jedoch keine Mehrheit im Parlament und beim Koalitionspartner ÖVP. "Wir werden aber immer mehr", sagte der Minister. "Der Großteil der Bevölkerung spricht sich schon lange für ein Rauchverbot aus. Nun überdenken auch die Abgeordneten des Nationalrats immer öfter ihre Einstellung." Sein Appell an die Parlamentarier: "Setzen Sie ein Zeichen für die Gesundheit der Beschäftigten in der Gastronomie, der Gäste und speziell der Kinder, indem Sie sich für ein echtes generelles Rauchverbot aussprechen." Neue Formen: Wasserpfeife und Co.Die Lungenfachärzte warnen unterdessen auch vor den "neuen Formen" des Rauchens. Wasserpfeife, E-Zigarette und E-Shisha würden vor allem Junge ansprechen und, weil sie als harmlosere Alternative zu Zigaretten gelten, Nichtraucher "verführen": Ein Drittel der jugendlichen E-Zigaretten-Raucher habe zuvor keine Tabak-Zigaretten konsumiert.
"Die Varianten des Rauchens werden immer vielfältiger, die Gefahren werden aber nicht geringer", sagte der Mediziner Martin Trinker vom Arbeitskreisleiter für Pneumologische Rehabilitation und Rauchertherapie der österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP). Österreichs gesetzliche Rahmenbedingungen bezeichnete der Experte als unzureichend. Bei einer Untersuchung von 300 Grazer Lokalen im Rahmen einer Diplomarbeit (Markus Lernbass) hätte mehr als ein Drittel der reinen Raucherlokale die erlaubte Größe überschritten. 96 Prozent der gemischten Lokale, die getrennte Raucher- und Nichtraucherzonen anbieten müssen, hätten gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßen, überwiegend durch eine fehlende adäquate Trennung.