SN.AT / Panorama / Österreich

Sexueller Missbrauch Minderjähriger: Neuer Höchststand an verdächtigen Internetseiten zu erwarten

Die Meldestelle Stopline verzeichnete nach einem Rückgang im Vorjahr allein 10.000 Meldungen im Mai. Mehr als 99 Prozent der illegalen Inhalte stammen von Servern außerhalb Österreichs. Für die Meldestellen bedeutet das eine globale Schnitzeljagd.

Fund von sexuellem Missbrauch Minderjähriger im Darknet.
Fund von sexuellem Missbrauch Minderjähriger im Darknet.

33.257 Meldungen von Internetseiten, auf denen sexuelle Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger sowie nationalsozialistische Wiederbetätigung veröffentlicht wurden, gingen im Vorjahr bei der Meldestelle Stopline ein. Das stellt zwar einen Rückgang um 23,5 Prozent gegenüber 2021 dar, wo 43.496 Meldungen registriert wurden, bedeutet aber dennoch Platz zwei in der Rangliste, die seit der Gründung von Stopline im Jahr 1998 geführt wird. 4098 dieser Meldungen aus 2022 wurden tatsächlich als gesetzeswidrig klassifiziert, 2021 waren es 8146. Ein weiterer Rückgang im heurigen Jahr ist nicht zu erwarten, denn allein im Mai seien mehr als 10.000 Meldungen eingegangen, berichtete Barbara Schloßbauer, Projektleiterin von Stopline, am Mittwoch.

Dabei hat Stopline ein Problem: Dass es nämlich innerhalb von Österreich so gut wie keine Probleme gibt mit den Providern. Also mit den Anbietern von Infrastruktur, die die Nutzung des Internets erst ermöglichen. Vor allem durch Speicherplatz, den sie gegen Entgelt zur Verfügung stellen. Denn irgendjemand muss sich um die Milliarden an privaten Webseiten ja kümmern. Mehr als 99 Prozent der hierzulande von Nutzern entdeckten illegalen Inhalte "parken" auf Servern rund um den Globus. Deshalb ist Stopline auf Partner angewiesen. 52 solcher Stellen gibt es bereits in 48 Ländern. 2100 Meldungen von Seiten mit illegalen Inhalten hat Stopline 2022 an die Partner gemeldet - was der Hälfte der insgesamt gemeldeten Seiten entspricht.

Der Rest, also auch rund 2000 Meldungen, kann an niemanden weitergeleitet werden. "In manchen Ländern ist das Bewusstsein für den Missbrauch von Minderjährigen im Internet sehr spärlich vorhanden. Weil das meist Länder sind, wo der Kampf ums tägliche Überleben im Vordergrund steht", erklärt Barbara Schloßbauer. Von den 4000 Seiten, die im Vorjahr tatsächlich strafbare Inhalte aufwiesen, stammten bereits mehr als 800 aus dem Darknet. "Da sind wir technisch kaum in der Lage, das Ursprungsland zu ermitteln." 1004 Meldungen wurden im Vorjahr an die Kolleginnen und Kollegen von den Meldestellen in den USA übermittelt, 919 an jene in EU-Ländern. Innerhalb der Union sind die Niederlande traditionell ein Hotspot. Schloßbauer: "Dort gibt es eine sehr gut ausgebaute und billige Infrastruktur." Und das lockt auch sogenannte Bulletproof-Provider an, die sich auf illegale Inhalte spezialisieren. Die Niederlande versuchen aktuell, diesen Dienstleistern mit immer schärferen Gesetzen das Leben schwer zu machen.

Auch Hongkong, die Seychellen und Belize gelten als beliebte Adressen derlei Provider. Allein 712 verdächtige Webseiten konnten Standorten in dem kleinen südamerikanischen Staat zugeordnet werden. "Das heißt aber nicht, dass dort auch die Server stehen", erklärt Stopline-Leiterin Schloßbauer. "Über Adressen in diesen Ländern wird versucht, das Ursprungsland zu verschleiern." Bedeutet: Im nächsten Jahr können das schon wieder ganz andere Länder sein. "Es gibt starke Schwankungen."

Bei Stopline sind seit der Gründung im Jahr 1998 insgesamt 210.000 Meldungen eingegangen. 45.000 davon waren strafrechtlich relevant, entweder wegen pornografischer Darstellung Minderjähriger oder weil gegen das Verbotsgesetz verstoßen wurde. In diesen 25 Jahren waren es lediglich 180 Webseiten, die sich auf Servern von österreichischen Providern befanden. "Und jedes Mal wurden diese Seiten mit illegalen Inhalten innerhalb weniger Stunden gelöscht", lobt Schloßbauer. Das erscheint deshalb schon logisch, weil Stopline von der ISPA, dem Dachverband der heimischen Internetprovider, quasi als freiwillige Selbstregulierung ins Leben gerufen worden war. ISPA-Generalsekretär Stefan Ebenberger betont: "Unser Credo ist: Löschen statt Sperren. So wurde Österreich zu einem der unbeliebtesten Standorte, um illegale Inhalte zu verbreiten."