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"Solidarbeitrag" von Medizin-Absolventen rechtlich heikel

Der aktuelle Vorstoß der SPÖ, dass Jungärzte sich nach dem Abschluss an einer öffentlichen Medizin-Uni als "Solidarbeitrag" für einige Jahre zur Arbeit im öffentlichen Gesundheitssystem verpflichten sollen und dafür Erleichterungen beim Aufnahmetest bekommen, könnte laut dem Europarechtsexperten Walter Obwexer die aktuelle Quotenregelung gefährden. Derzeit sind 75 Prozent der Studienplätze für Österreicher reserviert. Auch ÖVP und NEOS zeigen sich reserviert.

Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) hatte zuletzt im APA-Interview dafür plädiert, dass Medizin-Absolventinnen und -Absolventen im Gegenzug für die kostenlose Ausbildung "einen solidarischen Beitrag für die Gemeinschaft" leisten. Wer sich "für einige Jahre" zur Arbeit als Kassenarzt verpflichte, solle bei der Bewerbung um einen Studienplatz vorgereiht werden, hatte Vizekanzler und SPÖ-Chef Andreas Babler die Idee konkretisiert. Derzeit kommen sechs Bewerber auf einen Platz.

Im kleinen Stil gibt es eine solche Bevorzugung schon jetzt. Derzeit sind 85 der 1.900 Studienplätze für "Aufgaben im öffentlichen Interesse" - etwa die Tätigkeit im Spital, in Kassenpraxen oder beim Heer - gewidmet. Wer sich verpflichtet, nach Abschluss der Ausbildung einige Zeit in diesen Bereichen zu arbeiten, bekommt dafür ein Stipendium und Erleichterungen beim Aufnahmetest.

Obwexer befürchtet neuerliches Vertragsverletzungsverfahren

Grundsätzlich dürfen EU-Mitgliedsländer von Medizinstudenten einen Solidarbeitrag - etwa Studiengebühren oder eine verpflichtende Tätigkeit im Gesundheitssystem - verlangen, betonte Europarechtsexperte Obwexer im "Kurier" (Dienstagausgabe). Eine Vorreihung beim Aufnahmetest im Gegenzug für das Arbeiten im österreichischen Gesundheitssystem wäre allerdings laut dem Juristen auch das Eingeständnis, dass die geltende Quotenregelung nicht (mehr) geeignet ist, das Gesundheitssystem abzusichern - und damit eine "große Gefahr, dass die Quotenregelung kippt" und die EU-Kommission wieder ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleitet.

Seit 2006/07 sind in der Medizin 75 Prozent der Studienplätze beim Aufnahmetest für Personen mit österreichischem Maturazeugnis reserviert. Damit soll der Ansturm vor allem deutscher Numerus-Clausus-Flüchtlinge an den Medizin-Unis gebremst werden. Die EU-Kommission hatte deswegen zunächst ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Nachdem Österreich darlegen konnte, dass andernfalls die medizinische Versorgung im Land nicht gesichert wäre, wurde die von Obwexer mitentworfene Regelung aber schließlich gebilligt.

Aktuell laufen im Wissenschaftsministerium die Arbeiten an einer möglichen Neuregelung beim Studienzugang. Am heutigen Dienstag gibt es dazu laut "Krone" ein Treffen mit der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), nächste Woche sollen Österreichische Gesundheitskasse und Länder folgen, danach die Uni-Rektoren. Man sei sich auch der Gefahr bewusst, dass durch eine Umstellung auf ein System mit einer Vorreihung die Quotenregelung kippen könnte, hieß es laut "Kurier".

ÖVP verweist auf Verhandlungen, NEOS "kritisch"

Im Regierungsprogramm ist zwar ein "Bonus beim Auswahlverfahren, auf Grund einer freiwilligen Verpflichtung zur Arbeit im solidarischen Gesundheitssystem" als ein Hebel genannt, um mehr Medizin-Absolventen in das öffentliche System zu bekommen. Von ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti hieß es zum aktuellen Vorstoß gegenüber der "Presse" nur: "Konkrete Maßnahmen werden auf dieser Basis in der Koalition verhandelt." Die NEOS reagierten unterdessen mit offener Skepsis: "Wir sehen den Vorschlag sehr kritisch und sehen die Lösung eher in einer Attraktivierung der bestehenden Stipendien und der Kassenverträge als in - auch rechtlich wohl problematischen - Verpflichtungen."

Zuletzt war schon von der Ärztekammer Ablehnung gekommen. Die Jungärztinnen und Jungärzte seien hoch motiviert, neben dem Klinisch-Praktischen Jahr und dem Turnus auch nach dem Abschluss weiter in der solidarischen Gesundheitsversorgung zu arbeiten, viel zu oft würden sie aber mangels Ausbildungsplätzen "monatelang auf Wartelisten" versauern. "Darüber - und nicht über Zwangsverpflichtungen - sollte sich die Politik Gedanken machen."