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SOS-Kinderdorf: Untersuchungskommission stellt sich neu auf

Nach Kritik an möglicher Befangenheit der Kommission, die die Strukturen bei SOS-Kinderdorf nach Missbrauchsvorwürfen durchleuchten soll, wird das Gremium neu aufgestellt. Wie am Mittwoch bekanntgegeben wurde, werde sich jenes Team gänzlich aus externen Expertinnen und Experten zusammensetzen. Ex-Bankmanager Willibald Cernko legt sein Mandat im Aufsichtsrat zurück. Der Schritt geschehe, um "die Unabhängigkeit der Kommission sicherzustellen", sagte eine Sprecherin der APA.

Bisher liegen Vorwürfe gegen drei Standorte vor
Bisher liegen Vorwürfe gegen drei Standorte vor

Künftig sollen auch ein Experte für Wirtschaft sowie eine Fachperson mit medizinisch-therapeutischem Hintergrund in der Kommission sitzen. Wer neben Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss, Kinderschutzexpertin Hedwig Woelfl sowie Soziologin Veronika Reidinger ebenfalls Teil davon sein soll, stehe noch nicht fest, hieß es zur APA. "Das soll bereits nächste Woche bekanntgegeben werden", sagte die Sprecherin. Damit umfasst die Kommission jedenfalls aber fünf externe Fachleute. Eine unabhängige Moderation und Prozessbegleitung stellen Transparenz und Klarheit sicher. Die Geschäftsführung soll das Krisenmanagement und den Zugang zu allen relevanten Unterlagen sicherstellen.

Ex-Bankier Cernko legt sein Aufsichtsrat-Mandat mit sofortiger Wirkung zurück und wird künftig auf Bitte und im Auftrag der Geschäftsführung ehrenamtlich in beratender Funktion unterstützen - sowohl im Krisenmanagement als auch in der internen Begleitung des Reformprozesses. Das sei eine persönliche Entscheidung gewesen, hieß es gegenüber der APA. Cernko sei die vergangenen Wochen maßgeblich daran beteiligt gewesen, die Kommission auf den Weg zu bringen und den "Übergang in der Krise kommunikativ zu begleiten", hieß es zur APA. Nun habe er damit "einen klaren Schnitt" gezogen.

Ausschuss soll Umsetzung von Empfehlungen garantieren

Cernko hatte zuletzt vergangene Woche im ORF-Interview in der ZiB2 dafür plädiert, dass im Aufsichtsrat von SOS-Kinderdorf in Zukunft vorrangig Menschen mit "wirklich tiefer Kenntnis" von Kinderschutz und Pädagogik sitzen sollen. Möglicherweise sei er mit seiner Expertise aber dieser Aufgabe in der Detailtiefe nicht gewachsen gewesen, sagte Cernko.

Die Kommission unter der Leitung von Griss berichte künftig an den Aufsichtsrat bzw. Reformausschuss. Dieser verantworte die Umsetzung der Reformvorschläge in der Organisation. Die Geschäftsführung stelle dafür uneingeschränkten Zugang zu Unterlagen und Personen sicher. Die Ergebnisse werden veröffentlicht - unter Wahrung des Opferschutzes. Im Zusammenhang mit der Arbeit der Reformkommission fänden derzeit interne Abstimmungen zur Rolle der Geschäftsführung statt. Damit soll gewährleistet werden, dass die Kommission ohne jeden Interessenskonflikt arbeiten kann.

Aufsichtsrat plante Kommission mit eigenen Mitgliedern

Jener Aufsichtsrat hatte vor mehr als einer Woche die Einsetzung einer Untersuchungskommission bekanntgegeben. Darin wären auch drei Plätze für Aufsichtsratsmitglieder vorgesehen gewesen. Die Erweiterung und die volle Unabhängigkeit der Kommission seien "zentrale Voraussetzungen, um lückenlos aufzuarbeiten und Empfehlungen für nachhaltige Veränderungen vorzulegen", wurde Griss am Mittwoch zitiert. "Das klare Signal lautet: Kinderschutz hat absoluten Vorrang", ergänzte Geschäftsführerin Annemarie Schlack.

Ein Bericht der Wochenzeitung "Falter" über Vorwürfe gegen das SOS-Kinderdorf am Standort in Moosburg in Kärnten hatte Mitte September die Missbrauchscausa ausgelöst. Kurze Zeit später kamen auch Vorwürfe gegen die Kinderdörfer in Imst in Tirol sowie im Salzburger Seekirchen ans Licht. Mittlerweile ermitteln die Staatsanwaltschaften in Klagenfurt, Innsbruck sowie Salzburg aufgrund der Vorwürfe.

Entschädigungszahlungen am Standort Imst

Im Fall des Standorts Imst forderte die Tiroler Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) indes mittlerweile laut "Tiroler Tageszeitung" (Mittwoch-Ausgabe) unter anderem betreffend kolportierter Entschädigungszahlungen an Opfer Aufklärung durch das SOS-Kinderdorf ein. Seit den 1950er-Jahren bis 2020 habe es in insgesamt 18 Fällen Entschädigungen gegeben, teilte das SOS-Kinderdorf am Mittwoch dazu auf APA-Anfrage mit. Nur einer dieser Fälle betraf den aktuell in Diskussion stehenden Zeitraum zwischen 2017 bis 2020, zwei Anträge bezogen sich auf Unterbringungen bis 2017. In 16 der bereits entschiedenen 18 Fälle seien Zahlungen geleistet und Therapien finanziert worden. In zwei Fällen wurden nur Therapien bezahlt. Weitere zwei Fälle befanden sich noch im Verfahren der Opferschutzkommission.