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Sozialhilfe: "Integrationsphase" wohl auch für Österreicher

Die vorgesehene "Integrationsphase" bei der von der Bundesregierung geplanten "Sozialhilfe NEU" wird wohl für alle arbeitsfähigen Personen - auch für Österreicher und Österreicherinnen - gelten müssen, nicht nur für Zuwanderer. Das geht laut "Presse" aus der Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes hervor. Damit stützt der Verfassungsdienst die vom Sozialministerium bereits vor zwei Wochen geäußerte Ansicht, die ÖVP und NEOS klar zurückgewiesen hatten.

Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ)
Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ)

Auf Anfrage der APA äußerte man sich im Sozialministerium am Mittwoch vorerst nicht zu dem Bericht. Vor zwei Wochen hatte die aus dem Sozialministerium vorgebrachte Ansicht, dass die vorgesehene "Integrationsphase" (bis zu drei Jahren) nicht nur für Zuwanderer, sondern für alle Anwärter gelten soll (auch für österreichische Staatsbürger) für Irritationen seitens der beiden Koalitionspartner ÖVP und NEOS gesorgt. Aus dem Sozialministerium hieß es schon damals, dies sei schon aus Gründen der Gleichbehandlung nötig.

Die für Integration zuständige Ministerin Claudia Plakolm (ÖVP) wies dies postwendend zurück. Auch NEOS-Klubobmann Yannick Shetty meinte vor zwei Wochen, diese Ansicht hätte nichts mit der Realität zu tun. Während der geplanten "Integrationsphase" soll Antragsstellern eine geringere Leistung ("Integrationsbeihilfe" genannt) zur Verfügung stehen, außerdem sahen die Pläne vor, dass die Gewährleistungen an Bedingungen wie Deutscherwerb oder an das Absolvieren von Wertekursen geknüpft sein wollte.

Verfassungsdienst: Pauschale Unterscheidung unsachlich

Der Verfassungsdienst zweifelt laut dem Bericht der "Presse" (online) in seiner Einschätzung nun an, dass es zulässig ist, Schutzberechtigten pauschal niedrigere Leistungen zu gewähren. Festgehalten werde, dass bei der Sozialhilfe Personengruppen zwar differenziert behandelt werden können: Nämlich dann, wenn daran angeknüpft wird, ob Personen in den Arbeitsmarkt vermittelbar oder arbeitswillig sind.

"Die pauschale Anknüpfung an den Schutzstatus (...) ohne Berücksichtigung der individuellen Situation, Kenntnisse und Fähigkeiten dürfte jedoch auch unter Zugrundelegung des Kriteriums der Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt kein sachliches Unterscheidungsmerkmal darstellen, das die Gewährung einer niedrigeren Sicherheitsleistung rechtfertigen kann", schreibt der Verfassungsdienst laut dem Bericht. Denn dann würde man annehmen, dass diese Gruppe "generell und unabhängig von individuellen Umständen nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden kann".

Regelung müsse alle Personen miteinbeziehen

Eher sachlich begründen lasse sich demnach eine Regel, "die alle (arbeitsfähigen) Personen miteinbezieht, deren Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt - aus welchem Grund auch immer - eingeschränkt ist". Das bedeutet, dass auch arbeitsfähige Staatsbürger davon umfasst sein müssten.

Anhand von "sachlichen und überprüfbaren" Kriterien müsse festgemacht werden, "welche Kenntnisse und/oder Fähigkeiten Bezugsberechtigte besitzen oder erwerben müssen, um die höheren Leistungen der Sozialhilfe zu beziehen", so der Verfassungsdienst. Auch dürfte die "Integrationsphase jedenfalls nicht pauschal mehrere Jahre dauern". Es müsse möglich sein, "die Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt zwischenzeitig zu belegen".

Die Kriterien für die Vermittelbarkeit müssten "besonders niederschwellig gewählt werden", denn auch "Personen mit Lern- und Leseschwächen, Erkrankungen, Analphabetismus u. v. m. können am Arbeitsmarkt vermittelbar sein". "Für viele Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt" würden "keine Deutsch- oder Englischkenntnisse auf einem hohen Sprachniveau oder Ausbildungsnachweise benötigt werden". Der Verfassungsdienst beruft sich dabei auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, der 2019 weite Teile der unter Türkis-Blau erlassenen Sozialhilfereform aufhob.

Anrechenbarkeit der Familienbehilfe auf die Sozialhilfe zulässig

Geprüft wurde auch - wie schon von Plakolm angekündigt - ob es zulässig ist, die Familienbeihilfe auf Leistungen der Sozialhilfe anzurechnen. Damit würden Bezieher künftig nicht mehr beide Leistungen bekommen. Es gebe "keine grundlegenden Bedenken dagegen, gewährte Geldleistungen oder Erwerbseinkommen bei der Gewährung von Sozialleistungen anzurechnen", heißt es laut "Presse" in dem Bericht. Sichergestellt gestellt sein müsse aber, dass trotz der Anrechnung "der Unterhalt der betroffenen Person gesichert ist".

"Auftaktsitzung" mit Ländervertretern am Donnerstag

Die Reform der Sozialhilfe soll am Donnerstag bei einer "Auftaktsitzung" erstmals auch mit Vertretern der Bundesländer, die für die Umsetzung der Sozialhilfe zuständig sind, diskutiert werden. Ab 15 Uhr ist dazu ein nicht medienöffentlicher Termin im Sozialministerium bei Sozialministerin Schumann (SPÖ) angesetzt. In Kraft treten soll die Reform mit Jänner 2027.