Vom Bauernbub zum Promi-Winzer und Unternehmer: In seinem im egoth-Verlag erschienenen Buch erzählt Leo Hillinger vom Scheitern und Wiederaufstehen. Der Titel ist sein Lebensmotto: "Konsequenz, Konsequenz, Konsequenz".
Sie sind 50, haben wohl noch viele Lebensjahre vor sich. Ist das nicht zu früh für eine Autobiografie? Leo Hillinger: Ich wollte schon seit Längerem ein Buch schreiben. In diesem halben Leben ist so vieles zusammengekommen und durch das Schreiben habe ich viel davon verarbeitet.
Haben Sie das Buch wirklich selbst geschrieben? Ich habe es nicht selbst getippt, wenn Sie das meinen. Dazu fehlt mir die Zeit. Ich habe es wörtlich einem Ghostwriter angesagt - also selbst geschrieben. Was aber viel wichtiger ist: Es ist keine Lobeshymne, sondern enthält viel Selbstkritik, es ist ehrlich geschrieben, nicht gekünstelt. Ich bin ein grader Michl und das war mir ein Anliegen.
Sie erzählen viel Persönliches - etwa von der Liebe der Mutter, aber auch von den Schlägen des Vaters. Wie leicht ist es Ihnen gefallen, das öffentlich zu machen? Es wird so oft behauptet, dass die Zeit damals eben so war, aber das ist ein Blödsinn. Meine Ehefrau ist ein paar Jahre jünger als ich - sie hat nie eine Watsche bekommen. Mein Vater war immer der Strahlemann, der Lustige, für alle anderen. Das, was er mit uns, mit seiner Familie gemacht hat, das war nicht normal. Nur damals habe ich geglaubt, das wäre normal. Zu mir hat er immer gesagt, du kannst nichts, du bist nichts und aus dir wird nichts. Irgendwann glaubt man das dann. Und dabei habe ich ihn abgöttisch geliebt. Heute versuche ich es bei meinen Kindern genau umgekehrt zu machen - sie zu motivieren.
In der Weinbauschule, da waren Sie 15 oder 16, hatten Sie mehrere Fünfer, etwa in Verhalten, in Kellerwirtschaft und Betriebsführung. Wie konnte da ein erfolgreicher Winzer aus Ihnen werden? Wenn du nie in der Schule bist, bekommst du auch keine guten Noten. Ich war ein Schwänzer, hatte keine Motivation, etwas zu lernen. Und meine Eltern hat das nicht gekümmert.
Wenn Sie jetzt hören, dass die Bundesregierung Schulschwänzer strenger bestrafen will: Finden Sie das sinnvoll? Da geht es ja um Strafen, die die Eltern zahlen sollen. Natürlich ist das sinnvoll, denn dann kümmern sie sich um den Schulbesuch ihrer Kinder.
Zurück zu Ihnen: Wie sind Sie doch ein Winzer geworden? Mein Vater hat gesagt, du bist der Ältere, du machst das. Die Liebe zum Wein habe ich erst sehr viel später entdeckt. Bei einem dreimonatigen Praktikum in Deutschland, aus dem dann drei Jahre geworden sind.
Dort, bei Weinbauer Stephan Hafner, hatten Sie es mit den "oberen Zehntausend" zu tun. Und "Trivial Pursuit"-Karten auswendig gelernt. Meine Freunde und Bekannten wussten immer sehr viel, nur ich nicht. Wenn du nichts weißt, nichts draufhast, dann ist dir das so peinlich. Ich habe damals auch angefangen, Zeitungen und den "Spiegel" zu lesen, um mich unterhalten zu können.
Anders als Ihre Freunde hatten Sie damals kaum Geld. Mit einem geliehenen VW-Bus sind Sie nach Dresden gefahren, haben dort am Wochenende Weinflaschen um 2,50 Mark verkauft. Später haben Sie einen Kredit aufgenommen, um Golf spielen zu lernen. Um dann als Turniersponsor vor den Golfplätzen Wein zu verkaufen - aus dem VW-Bus, in dem Sie vorher übernachtet haben. Ist das ein Businessmodell, das Sie heute noch empfehlen würden? Auf jeden Fall, Not macht erfinderisch. Wenn man nichts hat, muss man jede Chance ergreifen, die man bekommt. Jede Möglichkeit, sich zu präsentieren, ist wichtig. Ich war schwerer Legastheniker, ich fühle mich von Regeln nicht eingeengt. Und ich glaube, ich bin deswegen so kreativ.
Sie haben sich nicht nur von Banken Geld ausgeliehen, sondern sogar von der Russenmafia: 200.000 Schilling für Barrique-Fässer. Hat Sie das nicht beunruhigt, zumindest ein bisschen? Beunruhigt? Ich habe Todesängste ausgestanden. Das Geschäft ging nicht auf und ich konnte den Kredit nicht rechtzeitig zurückzahlen. Meine ukrainischen Geldgeber haben daraufhin den Zinssatz von 25 auf 50 Prozent erhöht. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie das abläuft. Die sagen Dinge zu Ihnen, über Ihre Familie, die Sie wirklich beschäftigen. Ich wollte fast aufgeben. Andererseits spornen mich solche Situationen auch an.
Sie betreiben extrem viel Sport, fahren 16.000 Kilometer im Jahr mit dem Fahrrad, trinken bis zu zehn Liter Wasser am Tag und kommen mit vier Stunden Schlaf aus. Wie kann man so ein Tempo so lange durchhalten? Durch Konsequenz, Konsequenz, Konsequenz - so wie der Titel meines Buches lautet. Für mich ist das, was ich mache, keine Arbeit. Ich habe Freude daran.
Sie beschreiben, wie Sie sich nach dem Scheitern Ihrer ersten Ehe an Frauen "gerächt" haben, wie sie mit keiner mehr als zwei Nächte verbracht und "immer drei, vier oder fünf gleichzeitig" hatten. Zu der Zeit waren Sie auch als Model tätig. Da fällt es einem schwer zu glauben, dass Drogen für Sie kein Thema waren. Zu einhundert Prozent nicht. Ob beim
Sport oder sonst wo: Ich habe nie Drogen genommen. Ich wiege hundert Kilo und habe viele Radrennen gewonnen. Sie können jederzeit eine Blutprobe von mir haben. Früher, in Deutschland und auch beim Modeln haben alle etwas genommen. Die Mädels haben immer gefragt, ob ich nichts für sie hätte. Nein, hatte ich nicht. Drogen sind für mich das Letzte, die kann ich nicht brauchen.
Sie hatten einmal ernsthaft überlegt, ein von Stararchitektin Zaha Hadid entworfenes 400-Quadratmeter-Haus zu bauen - um acht Millionen Euro. Warum haben Sie es nicht getan? Weil es ein Blödsinn, ein betriebswirtschaftlicher Schwachsinn gewesen wäre. Wir leben auf 155 Quadratmetern, das reicht vollkommen.
Ein ständiger Begleiter in Ihrem Leben ist der Neid anderer. Sind wir Österreicher so? Den Neid spüre ich jeden Tag. Das ist bei uns in Österreich anscheinend normal. Wenn du eine Lungenentzündung hast, dann wollen sie die auch noch haben.