Zwischen den Brüdern herrscht laut Staatsanwaltschaft seit Langem ein "äußerst schlechtes" Verhältnis. Die beiden Männer sind Nachbarn, sie nutzen dieselben Zufahrtsstraßen, um zu ihren Häusern in Graz-Umgebung zu kommen. Über die Jahre ist es immer wieder zu gegenseitigen Beschuldigungen und Vorwürfen gekommen, etwa, dass der eine Bruder dem anderen die Zufahrt zum Grundstück blockiere. Zur Anklage ist es bisher nie gekommen. Zwei Tage vor der Tat soll der Landwirt seinen Bruder bedroht haben: "Du kommst dran."
Am 4. November 2024 kam es laut Anklage dann zur Eskalation. Der Landwirt soll mit seinem Traktor in der Nähe der beiden Grundstücke den Bruder auf dessen Kleinmotorrad angefahren haben. Nach der ersten Kollision hat der 80-Jährige laut Staatsanwaltschaft auf das inzwischen am Boden liegende Moped zugesteuert, unter dem bereits der Bruder eingeklemmt war. Zu diesem Zeitpunkt soll der Bruder "Hör auf" geschrien haben, der Angeklagte soll erwidert haben: "Jetzt bist du dran." Der Traktor rammte abermals das Kleinmotorrad. Den Ermittlungen zufolge hat sich der 72-Jährige nur dadurch vor seinem Bruder retten können, indem er in ein nahes Bachbett flüchtete. Der Mann erlitt schwere Verletzungen, darunter zahlreiche Knochenbrüche, Serien-Rippenbrüche und Wirbelbrüche. 17 Tage verbrachte er stationär im Krankenhaus, fünf Tage davon auf der Intensivstation.
Landwirt plädiert auf "nicht schuldig"
Der 80-jährige Angeklagte, der sichtlich zitternd in den Gerichtssaal kam, zeigte sich vor den Geschworenen nicht geständig. "Ich bin nicht schuldig. Ich bin auch kein Mörder. Das, was dort passiert ist, hat der Bruder organisiert." Der Mann gab an, sein Bruder sei ihm bewusst in den Traktor gefahren, weil er ihm Schwierigkeiten bereiten habe wollen. Schon jahrelang habe ihm der Bruder den Hof streitig machen wollen, den er von den Eltern übernommen hat. Er habe zurzeit überhaupt keinen Kontakt mehr zum Bruder. Zum Tathergang sagte der Angeklagte: "Ich bin umgedreht in der Kreuzung. Ich habe meinen Bruder nicht gesehen. Auf einmal ist er da gestanden und dann war er im Bachbett. Er hat das hundertprozentig absichtlich gemacht." Wie es zur Kollision gekommen ist, könne er nicht sagen.
Laut den beiden Verteidigern des Angeklagten steht kein versuchter Mord im Raum, sondern eine fahrlässige Körperverletzung. Die Kritik der Verteidigung: Es habe keinen Ortsaugenschein gegeben, "das ist eigentlich bei jedem Pimperl-Verkehrsunfall üblich." Die Verteidigung habe selbst mithilfe von privaten Gutachtern beim Nachkonstruieren der Tat festgestellt, dass der Vorgang nicht so habe ablaufen können, wie es die Staatsanwaltschaft darlegt. Ein Antrag der Verteidiger auf Enthebung des Sachverständigen der Staatsanwaltschaft wurde nicht stattgegeben. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
Medizinisches Gutachten stützt Anklage
Die als Zeugin geladene Lebensgefährtin des 72-Jährigen sagte vor Gericht aus, dass es "immer wieder Beschimpfungen" vonseiten des 80-Jährigen gegen den jüngeren Bruder gegeben habe. Sie selbst war in der Garage am Haus, also in unmittelbarer Nähe, als es zur mutmaßlichen Tat gekommen war. Ihr Lebensgefährte sei mit dem Moped losgefahren, kurz darauf habe sie Hilfeschreie gehört und dann den 72-Jährigen über die Wiese auf sie zu humpeln sehen.
Der 72-Jährige selbst war bei dem Prozess nicht anwesend, in einem Video der kontradiktorischen Vernehmung schilderte er den Vorfall wie in der Anklage beschrieben. Er habe Angst gehabt, sein Bruder habe ihn mit dem Traktor regelrecht verfolgt.
Die medizinische Gutachterin gab an, dass die Verletzungen den Schilderungen der Anklageschrift entsprächen. Jedenfalls müsse mehr passiert sein, als der Angeklagte in seiner Version geschildert hatte - nämlich, dass der Bruder "nur dagestanden" wäre.
Taxifahrer als Zeuge schildert Vorgeschichte
Am Prozessnachmittag wurde überraschend ein weiterer Zeuge vonseiten der Verteidigung - nach Stattgeben des Antrags vonseiten des Senats - geladen: Der Taxifahrer schilderte vor Gericht eine Vorgeschichte von 2019. Bei einer Taxifahrt mit dem älteren Bruder als Passagier sei der jüngere Bruder in der Nähe der Grundstücke der Brüder ans Taxi herangetreten und habe gesagt, die Straße dürfe nicht befahren werden. Dann sei der 72-Jährige in den Graben gefallen und habe zum Taxifahrer gesagt: "Du hast mich angefahren." Am Taxi selbst habe die Polizei keine Berührung feststellen können. "Ich vermute, dass er sich selbst in den Bach gestürzt hat", sagte der Taxifahrer.
Die Verhandlung wurde vertagt. Der Prozess soll am 21. Oktober fortgeführt werden. Unter anderem wird dann das Gutachten des Kfz-Sachverständigen Thema sein.