SN.AT / Panorama / Österreich

Teenager in U-Haft vergewaltigt: Ministerin gibt Fehler zu

Drei Tage nach Bekanntwerden des sexuellen Übergriffs auf einen 14-Jährigen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt hat Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) in diesem Fall ein Fehlverhalten der Justiz eingeräumt.

Teenager in U-Haft vergewaltigt: Ministerin gibt Fehler zu
Teenager in U-Haft vergewaltigt: Ministerin gibt Fehler zu

Man hätte das Opfer, dem ein Gutachten verminderte geistige Reife bescheinigte, nicht in diese Zelle einsperren dürfen, erklärte die Ministerin und kündigte Alternativen zur U-Haft für Jugendliche an."Aus meiner Sicht sind Fehler passiert. Aus heutiger Sicht hätte man das Opfer nicht in diese Zelle sperren dürfen. Das war ein Fehler, das muss man zugeben", sagte Karl bei einem Pressegespräch am Freitagnachmittag.

Laut SN-Recherchen wäre der Bub eigentlich nicht haftfähig gewesen. Bei einer Untersuchung wurde festgestellt, dass der 14-Jährige nicht der normalen geistigen Entwicklung entsprach. Der Richter entschied dennoch, dass der 14-Jährige weiter in U-Haft bleibt.

Kritik an Karl

Heftige Kritik an der Ministerin kam von den Grünen, die Karl vorwarfen, der "unabhängigen Gerichtsbarkeit die Verantwortung umzuhängen" zu versuchen, aber auch vom Koalitionspartner SPÖ. Diese forderte die Wiedereinführung des Jugendgerichtshofs. Das Strafverfahren gegen den 14-Jährigen, der wegen Raubes angeklagt ist, läuft unterdessen weiter.

Es stelle sich "die berechtigte Frage ans Gericht, ob die lange U-Haft verhängt hätte werden müssen", sagte Karl. Noch deutlicher wurde Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechts-Sektion im Justizressort: Die Behörden hätten einem Bericht der Jugendgerichtshilfe "ein höheres Augenmerk" schenken müssen, der dem inhaftierten 14-Jährigen verminderte geistige Reife bescheinigte. Statt den Burschen gleich freizulassen, hatte die zuständige Richterin ein zusätzliches psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. Der 14-Jährige blieb in Folge dessen mehr als drei Wochen weiter in Haft, ehe die Sachverständige am 10. Juni den Befund der Jugendgerichtshilfe bestätigte und der Bursch auf freien Fuß gesetzt wurde.

"Taskforce" soll helfen

Informationen über die Entwicklungsstufe und Entwicklungsreife von jugendlichen U-Häftlingen müssten zukünftig schneller bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten ankommen, "um Haft zu verkürzen oder gar nicht entstehen zu lassen", deponierte Pilnacek. Die Justizministerin kündigte in diesem Zusammenhang die Bildung einer "Taskforce Jugend U-Haft" aus Vertretern der Kriminalpolizei, Richtern, Staatsanwälten, der Jugendgerichtshilfe und dem Verein Neustart an, die für jugendliche Straftäter rasch Alternativmaßnahmen zur U-Haft entwickeln soll.

Karl zeigte sich persönlich betroffen vom Schicksal des misshandelten Häftlings. Unter Bezugnahme auf vorangegangene, nicht unumstrittene mediale Auftritte stellte sie klar: "Es tut mir sehr leid, dass da ein falscher Eindruck entstanden ist. Es tut mir leid, dass das falsch rübergekommen ist." Karl war zuvor in Kritik geraten, weil sie zu dem Fall erklärte: "Strafvollzug ist nicht das Paradies." Sie werde nun "alles tun, um dem Opfer die notwendige Unterstützung zu geben", versicherte Karl.

Zur grundsätzlichen Problematik meinte sie, U-Haft dürfe bei Jugendlichen "nur das absolut letzte Mittel sein".

Zweier-Zellen für Jugendliche

Sie wolle sich "gegen solche Fälle bestmöglich rüsten" und habe daher in einem Erlass festgelegt, dass Jugendliche im Gefängnis grundsätzlich nur mehr in Zweier-Zellen untergebracht werden, berichtete die Justizministerin. Weiters soll die Jugendgerichtshilfe ab sofort verstärkt und vor allem am Abend und an den Wochenenden in die Betreuung jugendlicher Insassen eingebunden werden. Karl kündigte auch an, sich für eine Personalaufstockung bei der Justizwache stark machen zu wollen: "Ich wäre sehr dankbar, wenn ich mehr Planposten bekomme. Das würde vieles leichter machen". Sie werde "weiter dafür kämpfen" und "bei den nächsten Budgetverhandlungen mehr Personal fordern".

Dass die Staatsanwaltschaft Wien an ihrer Raub-Anklage gegen den 14-Jährigen festhält - er soll mit drei Komplizen einen älteren Mann auf der Straße überfallen haben, worauf er wegen Tatbegehungsgefahr in U-Haft genommen wurde -, obwohl seine verminderte geistige Reife mittlerweile gutachterlich festgestellt ist und damit Zweifel an seiner Schuldfähigkeit bestehen, erklärte Sektionschef Pilnacek folgendermaßen: "Die Staatsanwaltschaft steht auf dem Standpunkt, es muss ein Signal gesetzt werden." Die Anklagebehörde wolle "aufzeigen", dass eine schwere Straftat vorliegt, und das Gericht beurteilen lassen, "ob Schuldfähigkeit gegeben ist", erläuterte Pilnacek. "Wir werden uns konkret anschauen, ob das so aufrecht zu erhalten ist."