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Verfassungsschutzbericht 2022: "Extremismus ist omnipräsent"

Staatsverweigerer, Rechtsextremisten, Islamisten und auch die Klimakleber stehen unter ständiger Beobachtung der heimischen Staatsschützer. Ihr Direktor, Omar Haijawi-Pirchner, zog am Freitag Bilanz.

Omar Haijawi-Pirchner, Chef des Verfassungsschutzes DSN, mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Hintergrund bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts 2022.
Omar Haijawi-Pirchner, Chef des Verfassungsschutzes DSN, mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Hintergrund bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts 2022.

"Wir stehen vor großen Herausforderungen." Mit diesen Worten begann am Freitag Omar Haijawi-Pirchner, Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), seine Vorjahresbilanz. Zu den mindestens 4000 Staatsverweigerern, "einer mittleren zweistelligen Zahl" an islamistischen Gefährdern sowie mehreren Waffenfunden, 660 Anzeigen, 100 Hausdurchsuchungen und 37 Festnahmen in der rechtsextremen Szene hat der Verfassungsschutz eine Aktivistengruppe im Fokus, die es 2021 noch gar nicht gab: die sogenannten Klimakleber. 200 von ihnen wurden vorübergehend festgenommen, 600 Mal gab es eine Anzeige.

Es sei unerlässlich, dass "radikale Klimaaktivisten unter besonderer Beobachtung" stehen, betonte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Rahmen der Präsentation des Verfassungsschutzberichts 2022. Er befürwortet ein "noch intensiveres Vorgehen der Polizei, wenn es gegen Leib und Leben geht", nahm Karner Bezug auf den jüngsten Vorfall. Eine Gruppe der Letzten Generation hatte am Verteilerkreis in Wien-Favoriten den Verkehr blockiert - ein Rettungswagen kam nicht durch, der Patient starb. Die Diskussion um härtere Strafen flammte auf. Karner ließ sich darauf aber nicht ein. Wenn junge Menschen sich für den Schutz des Klimas einsetzen, sei das grundsätzlich nicht verwerflich. "In den meisten Fällen bin ich für 'kleben und kleben lassen'." Dennoch: "Wenn sich rechtliche Rahmenbedingungen ändern, dann ist das dem Innenminister immer recht."

4000 Staatsverweigerer in Österreich stehen unter Beobachtung

Eine seit Jahren wachsende und sehr heterogene Gruppe bilden die Staatsverweigerer. DSN-Direktor Haijawi-Pirchner sprach von rund 4000 Personen. Allerdings sei diese Zahl etwa zwei Jahre alt. Staatsverweigerer gelten zwar nicht als gewaltbereit, seit dem Vorjahr seien jedoch ihre typischen Verhaltensweisen wieder deutlich stärker zutage getreten - das "Zuschütten" von Behörden mit schriftlichen Eingaben aller Art, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel von Bezirksverwaltungsbehörden systematisch zu überlasten. Was seit der Coronapandemie und den Anti-Maßnahmen-Demonstrationen zu beobachten sei, seien Überschneidungen mit der rechtsextremen Szene. Obwohl nicht wenige Staatsverweigerer dem linken Spektrum zuzurechnen seien, wie Haijawi-Pirchner erklärte.

Weiterhin eine große Gefahr gehe in Österreich von islamistischen Gruppierungen aus. "Sie agieren seit dem 2. November 2020, dem Terroranschlag von Wien, zwar zurückgezogener und sind auch heterogener", sagte der DSN-Chef. Doch die Radikalisierung finde weiterhin statt - vor allem über das Internet. Haijawi-Pirchner: "Salafistische Inhalte und Radikalisierung werden 2023 steigen." Innenminister Karner verwies in diesem Zusammenhang auf Mitte März, als die Polizei in der Ostregion Österreichs - und da vor allem in Wien - aufgrund von Hinweisen auf einen möglichen, islamistisch motivierten Terroranschlag in Alarmbereitschaft war.

Krisen befeuerten Extremismus

Auch unter den Rechtsextremisten und Neuen Rechten (etwa der Identitären Bewegung) steige die Gewaltbereitschaft. Sie hätten nach den Coronademos in den Jahren 2020 und 2021 im Vorjahr vor allem den Ukraine-Krieg, die steigenden Energiepreise und die Teuerung für sich nützen können, um Stimmung zu machen und neue Sympathisanten zu gewinnen. Man sei jedoch international bestens vernetzt, was einige bedeutende Schläge gegen die militante Reichsbürgerszene in Deutschland zeige. Im Dezember 2022 sowie im März 2023 erfolgten Großrazzien, im Zuge derer Dutzende Hausdurchsuchungen und ebenso viele Festnahmen erfolgten.