Desolate Zustände in heimischen Gefängnissen, Anlassgesetzgebung, Personalnotstand, budgetäre Ausdünnung und mangelhafte Betreuung von Häftlingen, auch im Hinblick auf das Leben danach - vor allem von jugendlichen Insassen und solchen im Maßnahmenvollzug. Sowie rechtsstaatliche und demokratische Bildung an den Schulen - zuzüglich das Vermitteln von Medienkompetenz.
Dieses Forderungsbündel an die kommende Bundesregierung schnürte am Dienstag das Netzwerk Kriminalpolitik. Es setzt sich u. a. aus Richtervereinigung, Strafverteidigern, Staatsanwälten, Kriminologen, dem Bewährungshilfeverein Neustart sowie dem Institut für angewandte Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) zusammen.
So sind nach Angaben von Gernot Kanduth, Präsident der Richtervereinigung, aktuell 109 Planstellen an Landes- und Bezirksgerichten unbesetzt. "Es ist eine dramatische Situation. Wir haben wirklich Personalsorgen."
Nächste Baustelle: der Maßnahmenvollzug. "Der soll seit 2014 reformiert werden", sagte Veronika Hofinger vom IRKS. Die Zahl der in forensisch-therapeutischen Zentren untergebrachten Personen habe sich von 700 auf 1400 verdoppelt. Erst in den vergangenen beiden Jahren habe sich die Kurve etwas abgeflacht. "Was fehlt, ist Schritt zwei: Dass diese Zentren nicht nur so heißen, sondern auch dementsprechend ausgestattet sind", betonte Hofinger, die auch im Strafvollzug "immense Probleme" ortet: "Wir haben volle Justizanstalten, deren Betriebe geschlossen sind, weil sie unter Personalmangel leiden und die Häftlinge nicht auf danach vorbereiten können."
Was das Jugendstrafrecht anbelangt, sieht Neustart-Geschäftsführer Christoph Koss keine Notwendigkeit zu Verschärfungen. Eine Herabsetzung der Strafmündigkeit sei klar abzulehnen. "Bei den meisten bleibt es eine Episode, deshalb ist Lernen und Entwicklung einer Freiheitsstrafe vorzuziehen." 1976 seien die Straftaten Jugendlicher gegen Leib und Leben fünf Mal so hoch gewesen wie heute - und das bei einer deutlich niedrigeren Aufklärungsquote. "Das Bild von einer immer gewalttätigeren Jugend ist nicht fair", so Koss.
Vieles von dem, was das Netzwerk Kriminalpolitik fordere, fiele in den Verantwortungsbereich des Justizministeriums, sagte Gernot Kanduth von der Richtervereinigung. "Insgesamt fehlen wahrscheinlich sogar 150 bis 200 Richter." Den Appell zur Beseitigung der Missstände richtete Kanduth jedoch an den künftigen Finanzminister. Dieser habe im Endeffekt zu entscheiden, wie viel Budgetmittel dem Justizressort zur Verfügung stünden. Warum das bisher nicht geschehen sei? "Vielleicht, weil mit Justizpolitik nur wenig Wählerstimmen zu gewinnen sind."
Dabei hänge die aktuelle Sicherheitsdebatte eng mit den Zuständen in den heimischen Gefängnissen zusammen, ist Veronika Hofinger überzeugt. "Resozialisierung gelingt nur in nicht überfüllten Justizanstalten."
