Es waren Bilder, Videos und Schilderungen, die für alle Anwesenden im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Krems nur schwer zu ertragen waren. Der Staatsanwältin brach bei ihrem Eröffnungsplädoyer immer wieder die Stimme. Was sich von April bis November 2022 in einer kleinen Wohnung in Waidhofen an der Thaya im Waldviertel zugetragen hat, sei unvorstellbar - wie das Leid und das Martyrium, das dort ein damals zwölfjähriger Bub erleiden musste. Um ihn gefügig zu machen, zwang ihn die heute 32-jährige Mutter, auf einer Hundedecke zu schlafen. Sie isolierte ihn von der Außenwelt, gab ihm kaum noch zu essen. Im Spätherbst eskalierte das sadistische Tun der Frau gänzlich. Der zu diesem Zeitpunkt 1,65 Meter große Bub wurde regelmäßig für mehrere Stunden in eine Hundebox gesperrt. Die Maße: 57 mal 83 mal 63 Zentimeter. Am 20. November schließlich - die Außentemperaturen lagen da rund um den Gefrierpunkt - übergoss sie den bereits stark abgemagerten (40 Kilogramm), entkräfteten und völlig apathischen Buben mit kaltem Wasser und öffnete die Fenster. Zwei Tage später fiel der Zwölfjährige ins Koma und wurde von einer Sozialarbeiterin, die Alarm schlug, nicht nur sprichwörtlich in letzter Minute gerettet. Als ihn die Rettung abtransportiert, schreit ihn die 32-Jährige noch an, er soll sich "nicht so deppert" anstellen. Die Körpertemperatur des Buben betrug nur mehr 26,5 Grad. Selbst die Ärzte hielten es anfangs für ziemlich unwahrscheinlich, dass er überlebt.
Fassungslosigkeit im Gerichtssaal
Im Gerichtssaal herrschte von Beginn an Fassungslosigkeit. Richterin, Staatsanwältin, der Anwalt des Opfers und sogar die Verteidigerin der Beschuldigten stellten sich allesamt dieselbe Frage: Wie konnte es so weit kommen? Für die Anklagebehörde steht fest: Es handelt sich um einen besonders dramatischen Fall von Sadismus, den die Mutter übrigens nicht allein zu verantworten habe. Eine heute 40-jährige Frau soll sie mehr oder weniger angeleitet haben. Gemeinsam - so belegen es ausgewertete Chat-Protokolle - sollen sie sich über das Leid des Gequälten amüsiert haben. Laut einem psychiatrischen Gutachten leidet die 32-jährige Mutter des Buben unter einer schweren Persönlichkeitsstörung. Einen Meter hinter der Angeklagten holt deren Anwältin Astrid Wagner aus: "Sie ist, wie man so schön sagt, ein Hascherl. Nicht sehr intelligent und wahnsinnig leicht zu manipulieren. Sie hat praktisch keine eigene Meinung und lässt sich alles einreden." Die 32-Jährige sei von Anfang an mit der Erziehung total überfordert gewesen. Als dann noch ihre Mutter, die sie immer tatkräftig unterstützt hatte, an Krebs starb, fiel sie in ein tiefes Loch. Dies habe die 40-jährige Bekannte ausgenutzt, habe sie von ihrer Familie abgeschottet. "Meine Mandantin war dieser Frau hörig. Sie hat den Bezug zur Realität verloren, sie hat nicht mehr wahrgenommen, wie es ihrem Kind geht." Das könne passieren, wenn man "in so einer Horrorwelt lebt". Keine Gefühle, keine Empathie. Nur noch auf Befehle warten. In einer nahezu leeren Wohnung, ohne Essen, ohne Kleidung. All das sei der 32-Jährigen von ihrer Bekannten quasi zugeteilt worden. Sie habe, so die Anwältin, die Fäden in der Hand gehabt. Die vierfache Mutter sei eine "sadistische Männerhasserin", die sich das Geld ihrer hilflosen Freundin unter den Nagel gerissen und davon "in Saus und Braus" gelebt habe.
Unklar, wer Sozialarbeiterin verständigte
Der Verteidiger der zweitangeklagten 40-Jährigen sah darin jedoch nur eine taktisch geschickte Strategie. Seine Mandantin sei keineswegs sadistisch, sie sei es sogar gewesen, die sich gekümmert habe. "Sie hat ihnen sogar einen Fernseher gekauft." Wer von den beiden Frauen am 22. November 2022 "einen letzten Funken von Verstand" aufgebracht und die Sozialarbeiterin verständigt habe, konnte nicht restlos geklärt werden. "Es war immer schwierig mit ihm", sagte die 32-Jährige bei ihrer Befragung durch die Richterin mit leiser Stimme. Immer wieder begleitet von langen Pausen. Sie sei von klein auf mit ihm bei Therapien gewesen. "Ich hab immer das Gefühl gehabt, dass er mich hasst." Bis zum Sommer 2022 soll ihr Sohn in seinem eigenen Bett geschlafen haben. Doch dann habe er eingenässt und musste daraufhin auf eine Art Hundedecke übersiedeln. Ohne Polster. Eine Decke gab es nur, "wenn er brav war". Die Wohnung verließen beide nur noch selten. "Wir sind mit dem Hund gegangen." Mehr Kontakt zur Außenwelt bestand nicht mehr. Als die Richterin fragt, wie sie auf die Idee komme, ihr Kind auf einer Hundedecke schlafen zu lassen, sagt die Angeklagte kaum hörbar: "Ich wollte, dass er mir folgt und dass er macht, was ich ihm sag'. Ich dachte, er macht das alles absichtlich."
Ihre Bekannte soll zu diesem Zeitpunkt bereits bestimmt haben, wann die beiden hinausdürften und wann es wie viel zu essen gebe. Und dann waren da auch noch die Überwachungskameras. "In jedem Raum war eine", erklärte die 32-Jährige. Vor allem, um das Verhalten des Zwölfjährigen zu beobachten. Darauf die Richterin: "Sie wissen schon, dass bei der Durchsuchung der Wohnung keine einzige Kamera gefunden wurde." Schweigen.
Der Prozess gegen die beiden Frauen, die wegen Quälens unmündiger, wehrloser Personen sowie der Freiheitsentziehung und des versuchten Mordes angeklagt sind, wird am Dienstag fortgesetzt. Ein Urteilsspruch ist für Donnerstag angekündigt.