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Was tun, wenn ein Hund angreift? Diese zehn Punkte gilt es zu beachten

Vergangenen Sonntag wurde ein Kind in Tirol drei Mal von einem Hund ins Gesicht gebissen. Tierärztin Tanja Warter erklärt, was man bei der Begegnung mit einem aggressiven Hund auf keinen Fall machen soll und wie man im Ernstfall die "allerletzte Schutzhaltung" einnimmt.

„Hunde wollen eigentlich nicht angreifen“, erklärt Tierärztin Tanja Warter. Für den unwahrscheinlichen Fall einer Attacke sollte man trotzdem wissen, wie man sich verhält.
„Hunde wollen eigentlich nicht angreifen“, erklärt Tierärztin Tanja Warter. Für den unwahrscheinlichen Fall einer Attacke sollte man trotzdem wissen, wie man sich verhält.
Über 90 Prozent der Bissverletzungen, die im Spital behandelt werden müssen, stammen vom eigenen Hund oder von einem Hund, den man gut kennt.
Über 90 Prozent der Bissverletzungen, die im Spital behandelt werden müssen, stammen vom eigenen Hund oder von einem Hund, den man gut kennt.

Man joggt oder spaziert durch den Park und sieht plötzlich einen großen Hund auf sich zurennen. Er kommt immer näher, fletscht die Zähne - und setzt zum Sprung an.

Diese Vorstellung löst wohl in den meisten Menschen Unbehagen aus, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, von einem fremden Hund angegriffen zu werden, "extrem niedrig" ist, wie Tierärztin Tanja Warter im SN-Gespräch erklärt. "Weit über 90 Prozent der Bissverletzungen, die im Spital behandelt werden müssen, stammen entweder vom eigenen Hund oder von einem Hund aus dem engeren Bekanntenkreis."

So auch vergangenen Sonntag in Tirol, als ein vierjähriges Mädchen aus Deutschland von einem Australian Shepherd ins Gesicht gebissen wurde. Der Hund hatte gerade in einem Futternapf sein Fressen erhalten, als die Vierjährige den Napf aufhob. Daraufhin schnappte der Hund nach ihr.

"Über 80 Prozent der Bissverletzungen, die im Spital behandelt werden müssen, hätten vermieden werden können, wenn der Mensch richtig reagiert hätte", sagt Warter. Sollte es trotzdem dazu kommen, dass ein aggressiver Hund auf einen zukommt, gilt es, diese 10 Punkte zu beachten.

1. Ruhe bewahren - leichter gesagt als getan

Der wohl wichtigste Punkt: Ruhe bewahren. "Das ist die größte Herausforderung überhaupt", räumt Warter ein. "Wenn man sich fürchtet, ist es schwer, Ruhe zu bewahren. Aber man kann vielleicht seinen Körper kontrollieren." So sollte man etwa nicht wild mit den Armen fuchteln und hektische, abrupte Bewegungen unterlassen. Diese könnten den Hund weiter anstacheln und noch aggressiver machen.

Wenn ein bellender Hund auf einen zurennt, kann es schwerfallen, Ruhe zu bewahren.
Wenn ein bellender Hund auf einen zurennt, kann es schwerfallen, Ruhe zu bewahren.

2. Nicht weglaufen - der Hund ist schneller als wir

Auch wenn einem der erste Instinkt zur Flucht rät, sollte man vor einem aggressiven Hund nicht weglaufen. Der Hund könnte das als Aufforderung verstehen, den Menschen zu stoppen. "Beim Hund kann durch das Weglaufen der Jagdinstinkt ausgelöst werden", erklärt Warter. Zudem ist der Hund ohnehin meist schneller als der Mensch.

3. Den Blick abwenden

Direkten Blickkontakt können Hunde als Drohung oder Provokation verstehen. Deshalb sollte man den Blick vom aggressiven Hund abwenden und ihn aus den Augenwinkeln oder durch leichtes "Nach-unten-Schielen" beobachten.

4. Zunächst aufrechte Haltung

Wenn ein bellender Hund auf einen zurennt, sollte man aufrecht und ruhig stehen bleiben. Warter empfiehlt, "wie zu einer Salzsäule zu erstarren, in die Luft zu schauen, die Arme vor dem Körper zu verschränken - und zu atmen". Gleichzeitig hebt die Tierärztin hervor: "Wenn der Hund bereits aggressiv ist, mich attackiert und beißt, dann ist das eine andere Situation." In diesem Fall sollte man zu Punkt fünf übergehen.

5. Der totale Ernstfall: Wie man die "allerletzte Schutzhaltung" einnimmt

Für den unwahrscheinlichen Ernstfall, dass einen ein aggressiver Hund körperlich attackiert, beißt und nicht damit aufhört, empfiehlt Warter "die allerletzte Schutzhaltung": Man hockt oder kniet sich hin. Die Stirn stützt man am Boden ab, das Gesicht zieht man möglichst nah an den Körper heran. Die Hände gibt man in den Nacken. "Indem wir uns zu einem kleinen Packerl machen, schützen wir alle wichtigen Körperregionen wie das Gesicht und den Nacken", erklärt Warter.

6. Hilfe holen

Bei einer Begegnung mit einem aggressiven Hund sollte man möglichst klar und ruhig nach Hilfe rufen. Panisches Kreischen könnte den Hund weiter irritieren.

7. Ablenkung durch Stock, Tasche oder Regenschirm

Zudem kann es helfen, dem aggressiven Hund einen Gegenstand zur Ablenkung entgegenzuhalten. Das kann zum Beispiel eine Tasche, ein Stock, ein Regenschirm oder Hundespielzeug sein. "Alles, was die Aufmerksamkeit des Hundes auf irgendetwas anderes zieht, ist hilfreich", erklärt Warter.

Spielzeug, ein Stock oder eine Tasche können aggressive Hunde ablenken. Im besten Fall beißt der Hund dann in den Gegenstand und nicht den Menschen.
Spielzeug, ein Stock oder eine Tasche können aggressive Hunde ablenken. Im besten Fall beißt der Hund dann in den Gegenstand und nicht den Menschen.

8. Keinen Nahkampf provozieren

Um die Situation zu entschärfen, sollte man nicht auf Konfrontationskurs gehen. Zerren am Halsband oder der Versuch, den Hund zu verscheuchen, können den Hund noch aggressiver machen.

9. Anderen helfen: Kein überstürztes Dazwischengehen

Wer beobachtet, wie jemand von einem Hund attackiert wird, sollte bei der Hilfe überlegt vorgehen. "Das hängt davon ab, wie gut man sich selber mit Hunden auskennt", sagt die Tierärztin. "Direkt dazwischengehen sollte man nicht."

10. Einmischung: Eine Hauptursache für Bissverletzungen

Wer selbst einen Hund besitzt und erlebt, wie dieser in einen Zweikampf mit einem anderen Hund gerät, sollte auf keinen Fall mit den Händen eingreifen. "Das Trennen von zwei raufenden Hunden ist eine der Hauptursachen, warum Menschen mit Hundebissen im Spital landen", schildert Tierärztin Warter.

Das Trennen von zwei raufenden Hunden ist eine der Hauptursachen, warum Menschen mit Bissverletzungen im Spital behandelt werden müssen.
Das Trennen von zwei raufenden Hunden ist eine der Hauptursachen, warum Menschen mit Bissverletzungen im Spital behandelt werden müssen.
In so einem Fall sollte man auf keinen Fall dazwischengehen.
In so einem Fall sollte man auf keinen Fall dazwischengehen.

Tierärztin gibt Entwarnung: "Hunde vermeiden den Kampf"

Obwohl es nicht schadet, auf den Ernstfall vorbereitet zu sein, ist eine Hundeattacke in der Praxis sehr unwahrscheinlich. "Hunde wollen eigentlich nicht angreifen", erklärt Warter. "Wenn es irgendwie geht, vermeiden sie den Kampf oder die Attacke. Da muss schon etwas Dramatisches vorfallen, damit ein Hund, der frei läuft, offensiv einen Menschen angreift."