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Wiener Ex-Imam nach Postings von Verhetzung freigesprochen

Weil er nach dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 gegen Juden und Jüdinnen in Israel gerichtete Aussagen auf Facebook postete, hat sich am Mittwoch ein ehemaliger Wiener Imam vor Gericht verantworten müssen. Für den Richter erfüllten Posts wie "verwandle Gaza und ganz Palästina zu einem Friedhof für die Juden" nicht den Tatbestand der Verhetzung und fallen unter die Meinungsfreiheit. Der 61-Jährige wurde nicht rechtskräftig freigesprochen.

"Es ist eine vertretbare Meinung, dass er sagt, er möchte, dass Palästina den Krieg gewinnt und Israel den Krieg verliert", begründete der Richter das Urteil am Wiener Straflandesgericht. "Was man nicht sagen darf, ist 'Tod allen Juden'", das habe der Angeklagte aber auch nicht getan.

Im Jänner 2024 postete der damalige Imam der Assalam-Moschee am Schöpfwerk mehrere längere Postings in arabischer Sprache, in denen Aussagen wie "Oh Gott, bestrafe die kriminellen Zionisten und deren Unterstützer und zerstreue sie. Oh Gott, zähle sie und töte sie alle und lass keinen einzigen von ihnen übrig" und "Oh Gott, stärke die Mudschaheddin in Gaza, lenke ihre Pfeile, mache ihre Schritte sicher, stärke ihre Herzen und erschrecke die Herzen der Juden, der Besatzer" enthalten waren. Nach dem Aufkommen der Posts legte er seine Funktion als Imam zurück.

Richter: "Denen Tod zu wünschen, von Meinungsfreiheit gedeckt"

Dem Publikum, immerhin hatte der Mann damals über 3.500 Freunde auf Facebook, sei "völlig klar", dass er mit "Juden und Zionisten" nicht alle Juden gemeint habe, sondern die rechtsextreme Regierung Netanyahu sowie israelische Soldaten, folgte der Richter der Argumentation des Angeklagten. "Das sind auch Juden und Zionisten, aber ihnen wird nicht deshalb der Tod gewünscht, sondern weil das die sind, die in Gaza Krankenhäuser bombardieren." Diese Gruppe sei nicht vom Verhetzungsvorwurf gedeckt: "Denen den Tod zu wünschen, ist von der Meinungsfreiheit gedeckt."

Auch dass der Angeklagte die entsprechenden Textpassagen gar nicht erst gelesen hatte - so seine Verteidigungslinie - sei "lebensnah" und komme immer wieder vor, meinte der Richter. Das sei zwar eventuell medienrechtlich, aber nicht strafrechtlich relevant. Der Angeklagte betonte in seiner Befragung mehrmals, er habe Texte und Suren von einem Freund via Whatsapp bekommen, und diese nur zum Teil gelesen, bevor er sie auf seinem Facebook-Profil postete. So hätte statt "Oh Gott, zähle sie (die Zionisten, Anm.) und töte sie alle und lass keinen einzigen von ihnen übrig" auch "töte alle Muslime" stehen können, es wäre ihm nicht aufgefallen, antwortete der Mann auf eine entsprechende Frage des Richters.

Verteidiger überrascht

Der Freispruch kam auch für den Rechtsvertreter des Angeklagten überraschend. Zu Beginn des Prozesses sprach sich Andreas Schweitzer für ein diversionelles Vorgehen aus. "Ich sehe beim besten Willen nicht, dass der Angeklagte gegen Juden gehetzt hätte. Was man ihm vorwerfen kann, ist, dass er nicht genau gelesen hat. (...) Er hat Reue gezeigt und ist unbescholten". Da eine Diversion laut Richter aufgrund "generalpräventiver Gründe" nicht in Frage komme, plädierte er schließlich auf Freispruch "in dubio pro reo".

Ganz anders sah das die Staatsanwaltschaft. "Das ist keine Kritik am Staat Israel, sondern die pauschale Verhetzung", so die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Dass er die Posts nicht bis zum Ende gelesen hätte, kaufte sie ihm nicht ab. Auch hätte er als Imam eine zusätzliche Vorbildfunktion gehabt."Es wäre genauso zu einer Anklage gekommen, wenn hier ein Rabbiner sitzen würde, der gepostet hätte, dass Gaza zu einem Friedhof für alle Palästinenser werden soll". Sie meldete volle Berufung gegen das Urteil an, es ist somit nicht rechtskräftig. Der Angeklagte betonte, Anhänger der Zwei-Staaten-Lösung und gegen die Hamas zu sein.