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Angst vor Spinnen und Schlangen ist uns in die Wiege gelegt

Manchen Menschen graust sogar vor den kleinsten unter ihnen: den Spinnen. Koginitionsforscher aus Deutschland und Schweden haben jetzt herausgefunden, warum das so ist. Es liegt manchen Menschen die Angst vor Spinnen und anderen potenziell gefährlichen Tieren wie den Schlangen in den Genen.

Kreuzspinne.
Kreuzspinne.

Allein der Anblick mancher Tiere genügt, um bei vielen Menschen weltweit Ängste oder zumindest heftigen Ekel auszulösen. Zu dem gruseligsten Tieren gehören in dieser Hinsicht Spinnen und Schlangen. Das Verhalten zeigt sich auch, wenn diese Menschen unter ihren normalen Lebensbedingungen gar nie in Berührung mit solchen Tieren kommen.

Bisher war umstritten, ob diese Abneigung angeboren oder erlernt ist. Wissenschaftlerinnen am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und der Uppsala University haben nun herausgefunden, dass sie in uns angelegt ist: Bereits sechs Monate alte Babys reagieren gestresst beim Anblick dieser Tiere - lange bevor sie diese Reaktion gelernt haben könnten.

Menschen mit einer solchen Angststörung haben meist einen eingeschränkten Alltag. Das kann sogar so weit gehen, dass sie erst einen Raum betreten, wenn er als "spinnenfrei" erklärt wurde. Oder sie meiden die Natur, weil sie womöglich auf Schlangen stoßen könnten. In Industrienationen sollen immerhin etwa bis zu fünf Prozent von einer echten Phobie gegenüber diesen Tieren betroffen sein.

Panik schon bei Babys

Bisher war umstritten, wie es zu dieser allgemein verbreiteten Abneigung oder gar Angststörung kommt. Während einige Wissenschafter davon ausgehen, dass wir sie als Kinder erlernen, glauben andere, dass sie uns angeboren ist. Das Problem bei bisherigen Studien war jedoch, dass sie zum einen hauptsächlich mit Erwachsenen oder älteren Kindern durchgeführt wurden - welches Verhalten gelernt, welches angeboren ist, lässt sich dann kaum voneinander trennen. Zum anderen wurde im Falle der Kinder lediglich getestet, ob sie Spinnen und Schlangen schneller als harmlose Lebewesen und Objekte entdecken können, nicht jedoch, ob sie eine direkte physiologische Angstreaktion zeigen.

Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und der Universität Uppsala, Schweden, haben nun eine entscheidende Beobachtung gemacht: Bereits bei Babys wird eine Stressreaktion ausgelöst, wenn sie Schlangen oder Spinnen sehen. Und das bereits im Alter von sechs Monaten, einem Alter, in dem sie meist noch nicht selbstständig die Welt um sich herum erkunden können und daher auch kaum Gelegenheit dazu hatten, zu lernen, dass diese beiden Tiergruppen gruselig seien.

"Als wir den Babys Bilder einer Schlange oder Spinne zeigten statt etwa einer Blume oder eines Fischs gleicher Farbe und Größe, reagierten sie mit deutlich vergrößerten Pupillen", sagt Stefanie Hoehl, Neurowissenschafterin am MPI und an der Universität Wien über die Ergebnisse. "Das ist ein wesentliches Signal dafür, dass das so genannte noradrenerge System im Gehirn aktiviert wird, das mit Stressreaktionen in Verbindung steht." Selbst die Kleinsten sind also beim Anblick dieser Tiergruppen bereits gestresst.

Nashörner und Bären sind "ok"

"Wir gehen daher davon aus, dass die Angst vor Schlangen und Spinnen einen evolutionären Ursprung hat. Bei uns, und auch bei anderen Primaten, sind offensichtlich von Geburt an Mechanismen im Gehirn verankert, durch die wir sehr schnell Objekte als Spinne oder Schlange identifizieren und darauf reagieren können", sagt die Forscherin. Diese offensichtlich angeborene Stressreaktion prädestiniere uns wiederum sehr stark dafür, Spinnen und Schlangen als gefährlich oder eklig zu erlernen. Wenn dann noch weitere Faktoren hinzukommen, kann sich daraus eine echte Angst oder gar Phobie entwickeln. "Eine starke, panische Abneigung der Eltern oder auch die genetische Veranlagung zu einer überaktiven Amygdala, die wichtig für die Bewertung von Gefahren ist, können hier schnell aus einer erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber diesen Tieren eine echte Angststörung entstehen lassen."

Das Interessante dabei: Aus anderen Studien ist bekannt, dass Babys Bilder von Nashörnern, Bären oder anderen Tieren, die uns theoretisch ebenfalls gefährlich werden können, nicht mit Angst assoziieren. "Wir vermuten, dass die gesonderte Reaktion beim Anblick von Spinnen oder Schlangen damit zusammenhängt, dass potenziell gefährliche Reptilien und Spinnentiere mit dem Menschen und seinen Vorfahren seit 40 bis 60 Millionen Jahren zusammenlebten - und damit deutlich länger als etwa mit den uns heute noch gefährlichen Säugetieren." Die Reaktionen, die die heute von Geburt an gefürchteten Tiergruppen auslösen, konnten sich damit über einen evolutionär sehr langen Zeitraum im Gehirn verankern.