Asteroid "2023 CX1" ist einer der sehr seltenen Fälle eines kosmischen Objekts, das bereits vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre entdeckt wurde. Genauer gesagt, ist es der erst Siebente, wie Europas Weltraumbehörde ESA festhält. Unmittelbar vor dem Kontakt mit der Erde erhaschte Krisztián Sárneczky vom Konkoly-Observatorium in Budapest einen Blick auf den Gesteinsbrocken, der in unsere Richtung unterwegs war. Nur rund sieben Stunden nach dem optischen Erstkontakt kam es zum physischen Aufeinandertreffen: Am 13. Februar 2023 um 2:59 Uhr (Ortszeit) trat er über dem Ärmelkanal in die Atmosphäre ein und ging über der Normandie nieder.
Stück von "Saint-Pierre-le-Viger"-Meteoriten in Wien
Das Ereignis zog in Fachkreisen viel Aufmerksamkeit auf sich - so auch bei Ferrière. Der nunmehrige Kurator am Naturhistorischen Museum in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) machte sich in den folgenden Tagen zwei Mal auf den Weg Richtung Absturzstelle bei Saint-Pierre-Le-Viger, wo er Teil der internationalen Suchkampagne und einer der glücklichen Finder war. Tatsächlich einen Stein in seiner Hand zu halten, "der nur wenige Tage davor noch durch das All geflogen war", habe bei ihm das Gefühl "einer speziellen Verbindung mit der Natur" ausgelöst, sagte der Wissenschafter.
Ein 5,12 Gramm leichtes Fragment des offiziell "Saint-Pierre-le-Viger"-Meteoriten genannten Brockens konnte Ferrière nämlich bergen und in die Schausammlung im Meteoritensaal im NHM Wien integrieren. Auf Basis der Bruchstücke konnte der Forscher in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich und Griechenland klären, dass es sich bei dem Objekt um einen "Gewöhnlichen Chondriten", also einen Gesteinsmeteoriten, handelt.
Wie teure Weltraummission "für 'arme' Wissenschafter"
"Der Meteoritenfall von Saint-Pierre-le-Viger und sein Auffinden ist wie eine sehr teure Weltraummission, bei der eine Probe von einem solchen Objekt wieder zur Erde zurückgebracht wird. Allerdings brauchte es hier kein Raumschiff. Es ist sozusagen eine aufwendige wissenschaftliche Mission für 'arme' Wissenschafter" und dementsprechend ein Glücksfall, so Ferrière.
Die Aufarbeitung des Falls und seiner Auswirkungen ging in der Folge über Monate und Jahre weiter und wurde unter der Leitung der Erstautorin der nunmehrigen Publikation, Auriane Egal von der University of Western Ontario (Kanada) und dem Meteorbeobachtungsnetzwerk FRIPON (Fireball Recovery and InterPlanetary Observation Network) zur umfassendsten Analyse eines solchen Ereignisses. Mit an Bord war u.a. auch Silke Merchel von der Fakultät für Physik der Universität Wien. Herausgekommen sei auch eine "einzigartige Fallstudie zu planetarer Abwehr", heißt es in einer Aussendung der kanadischen Uni.
Forschende sehen Gefahr bei derartigen abrupten Explosionen
Der Schlüssel dazu war die frühzeitige Entdeckung und die raschen und exakten Berechnungen der ESA und der NASA zum wahrscheinlichen Eintrittsgebiet des Objektes, die Interessenten die Chance gaben, ihre Augen und Geräte auf das Ereignis zu lenken. Jetzt ist zum Beispiel klar, dass sich der wahrscheinlich nahezu runde Gesteinsbrocken mit einem ursprünglichen Durchmesser von rund 72 Zentimeter und einer geschätzten Gesamtmasse von circa 650 Kilogramm vor etwa 30 Millionen Jahren von einem größeren Brocken im inneren Asteroidengürtel gelöst haben muss. Zur Präzisierung der Größe und Masse trugen auch Daten von den Isotopenforschenden aus Wien bei.
Bei seinem Auftreffen auf unseren Heimatplaneten verhielt sich das eher gewöhnliche Gesteinsobjekt dann recht ungewöhnlich. Nachdem er zunächst einem Druck von rund 40 bar standhielt, explodierte er in der Folge abrupt in einer Höhe von rund 28 Kilometern. Das führte zu einer nicht unerheblichen Schockwelle, in die in einem Sekundenbruchteil 98 Prozent der Bewegungsenergie des Himmelskörpers flossen. In der Folge ergossen sich hunderte Fragmente über die Normandie. Untersuchungen an der Uni Wien lieferten Hinweise darauf, wie sich das Material während der atmosphärischen Fragmentierung verteilt.
Das Faktum, dass hiermit eine Chondrit-Klasse bestätigt wurde, die nahezu ihre gesamte Energie in einer massiven Explosion freisetzen kann, bringt die Wissenschafterinnen und Wissenschafter zu dem Schluss, dass von diesen Objekten eine gewisse Gefahr ausgeht. Simulationen ergaben nämlich, dass diese Art des Zerplatzens größere Schäden auf der Erdoberfläche und in bewohnten Gebieten anrichten könnte, als das bei sukzessive zerfallenden Asteroiden - wie jenem, der 2013 im russischen Tscheljabinsk unter großem Aufsehen fiel - der Fall ist, betonen Egal und Kollegen. Das Risiko rechtfertige auch die Evakuierung von Gebieten, so Silke Merchel gegenüber der APA.
(S E R V I C E - Die Publikation online: https://doi.org/10.1038/s41550-025-02659-8; ESA-Informationen zu dem Objekt: https://neo.ssa.esa.int/past-impactors/2023cx1)