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Bei Vorsätzen ist weniger mehr

Viele Menschen stecken sich für das neue Jahr unrealistische Ziele. Expertinnen erklären, wie es am besten gelingen kann, Vorsätze wirklich umzusetzen.

Mehr Sport ist einer der am häufigsten geäußerten Neujahrsvorsätze hierzulande.
Mehr Sport ist einer der am häufigsten geäußerten Neujahrsvorsätze hierzulande.
Brigitte Gundl-Platzer, Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie, sagt: „Bei den Vorsätzen ist es ganz wichtig, dass die Menschen für sich hinterfragen, ob das Ziel oder der Wunsch aus eigenen Motiven heraus entsteht oder ob es sich um eine soziale Anpassung handelt.“
Brigitte Gundl-Platzer, Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie, sagt: „Bei den Vorsätzen ist es ganz wichtig, dass die Menschen für sich hinterfragen, ob das Ziel oder der Wunsch aus eigenen Motiven heraus entsteht oder ob es sich um eine soziale Anpassung handelt.“

Ein paar Kilo abnehmen, jeden Tag Sport treiben, öfter frisch kochen: Wer kennt sie nicht, die guten Vorsätze, die man sich für das neue Jahr vornimmt. Doch weshalb setzen sich viele just zum Jahreswechsel derartige Ziele? Und wie können diese schlussendlich erreicht werden?

Brigitte Gundl-Platzer, Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie, erklärt: "Von verschiedensten Forschungen weiß man, dass ein Datum generell etwas ist, was hilft, sein Zeitgefühl zu strukturieren. Einige Wissenschafter sprechen auch von ,temporal landmarks' (zeitlichen Orientierungspunkten, Anm.)." Das seien Daten wie etwa der Jahresbeginn, aber auch ein Jobwechsel oder ein Umzug. "Menschen tun sich da oft leichter." Solche Zeitpunkte seien für viele motivierend und würden helfen, neue Gewohnheiten umzusetzen, sagt die Expertin.

Generell sei Veränderung das ganze Jahr über in ihrer Praxis ein großes Thema, sagt Gundl-Platzer. "Was ich aber am Jahresende schon merke, ist, dass viele zusätzlich ins Reflektieren kommen oder auch Bilanz ziehen. Also wie war das Jahr, war es gut, was war vielleicht nicht so gut und was möchte ich verändern."

Mehr Sport und Bewegung, eine gesündere Ernährung sowie bewusster zu leben und auf sich zu achten waren laut der Umfrageplattform Statista die 2023 in Österreich am häufigsten gefassten Vorsätze. Für Vorhaben wie diese helfen zwei Herangehensweisen, sagt die Psychologin Christina Beran: "Wenn wir ein Ziel erreichen wollen, dann können wir einerseits unsere Willenskraft dazu verwenden - oder wir schaffen Umgebungsbedingungen, bei denen ein erwünschtes Verhalten leichterfällt." Wenn man also vor dem Fernseher sitze und der Couchtisch voller Süßigkeiten sei, brauche es freilich sehr viel Energie und Willenskraft, nichts zu essen. "Wenn ich aber einen leeren Couchtisch vor mir habe, also eine Umgebung kreiere, in der das leichterfällt, dann braucht es viel weniger Energieaufwand", sagt sie. Weshalb fällt es vielen dennoch so schwer, die Vorsätze in die Tat umzusetzen?

Gundl-Platzer sagt dazu: "Bei den Vorsätzen ist es ganz wichtig, dass die Menschen für sich hinterfragen, ob das Ziel oder der Wunsch aus eigenen Motiven heraus entsteht oder ob es sich um eine soziale Anpassung handelt." Passiere der Veränderungswunsch wegen einer sozialen Anpassung, dann sei es schwieriger, an diesem Ziel dranzubleiben, da die Motivation unbewusst nicht so ausgeprägt ist. Zudem seien die Vorsätze oft zu vage formuliert. "Die Verhaltensziele sollen konkret geplant werden - also welche Schritte braucht es, damit ich sie auch wirklich erreiche." Dafür sei es besser, mit Minivorsätzen zu arbeiten, ganz nach dem Prinzip "Weniger ist mehr", ergänzt sie.

Ein weiterer Punkt sei, dass viele ihre Ziele zu hoch stecken und auch zu unrealistisch planen, sodass das Vorhaben nicht gut im Alltag integriert werden könne. "Je größer der Aufwand, desto schneller ist man frustriert, wenn man es nicht erreicht", erklärt Gundl-Platzer. Dazu komme ein weiteres Problem: das Alles-oder-nichts-Prinzip. "Menschen sagen gerne: Jetzt habe ich es schon drei Mal nicht geschafft, jetzt kann ich es gleich lassen."

Angesprochen auf Vorsätze zu gesunder Ernährung sagt auch die Diätologin Alexandra Wenger vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Salzburg: "Man soll sich Dinge gerade zu Beginn nicht zu sehr verbieten, sondern versuchen, die Lebensmittelauswahl zu vergrößern." Habe man etwa den Vorsatz, weniger Zucker zu konsumieren, sollte man sich vorab überlegen, was man als Dessertalternative essen könne. "Nur verbieten, aber kein Lebensmittel stattdessen einbauen kann vielleicht eine Zeit lang gut gehen - aber dann kommt wahrscheinlich der innere Schweinehund und man greift doch wieder zur Schokolade." Es sei indessen ganz normal, dass man Rückschläge erleide. Wichtig sei nur, sich dann wieder auf die Ziele zu fokussieren, ergänzt Wenger.

Psychologin Beran fasst zusammen: "Scheibchenweise ist viel besser. Also sich machbare Ziele setzen und diese auf leicht erreichbare Teilschritte herunterbrechen." Das habe viel mehr Aussicht auf Erfolg, als zu sagen: Ich bin morgen ein anderer Mensch.