Schon lange kämpft Österreich mit einem Mangel an Pflegepersonen. In den nächsten Jahren werden mit dem demographischen Wandel laut Caritas 2000 bis 3000 zusätzliche Pflegekräfte pro Jahr benötigt, um die Pflege im Land sicherzustellen. Am Mittwoch präsentierte die Hilfsorganisation eine Studie, die Wege aus der Pflegekrise aufzeigt. Der Schlüssel seien bessere Rahmenbedingungen für den Pflegeberuf, wie eine neu präsentierte Studie belegt. Dazu zählten etwa planbare Dienste, eine faire Bezahlung und Unterstützung bei den Betreuungspflichten. "Wenn Pflegekräfte zufrieden heimgehen und gerne wiederkommen, gewinnen wir die Fachkräfte, die wir so dringend brauchen", so Caritas-Direktorin Nora Tödtling-Musenbichler.
"Die Pflege- und Betreuungskräfte sind da! Sie brauchen nur die richtigen Arbeitsbedingungen", verwies Tödtling-Musenbichler auf die Ergebnisse der von der Tiroler Privatuniversität UMIT durchgeführten Befragung von 409 Pflegekräften der Caritas. Diese ergab, dass 34 Prozent der in der Pflege Teilzeitbeschäftigten im Schnitt fünf Stunden pro Woche mehr arbeiten würden, wenn bessere Voraussetzungen herrschten. Das entspreche wiederum dem Potenzial von rund 4.000 zusätzlichen Pflege- und Betreuungspersonen, mit dem sich der Mehrbedarf an Betreuungspersonal decken ließe. "Und das ohne langwierige Ausbildung oder teures Recruiting", so die Caritas-Direktorin.
Faire Bezahlung und Digitalisierungsfonds
Zentral sei eine Wertschätzung der Expertise der Pflegeberufe auch seitens der Politik. Diese zeige sich nicht in Sonntagsreden, sondern in der Schaffung guter Arbeitsbedingungen. Konkret fordert die Caritas im Namen von 140.000 Pflegekräften in Österreich landesweit einheitliche Qualitäts-, Versorgungs- und Finanzierungsstandards und Personalschlüssel, die Flexibilität zulassen und Dienstplansicherheit garantieren, Steuerbefreiung des Pflege-Bonus, eine faire Bezahlung und Entlastung für pflegende Angehörige.
Auch der Ausbau der Kinderbetreuung sei zentral. Von letzterem profitierten vor allem Frauen, "die immer noch den Großteil unbezahlter Carearbeit leisten und 80 Prozent der Pflegekräfte ausmachen", betonte Tödtling-Musenbichler. Es sei "kein Luxus und auch keine Bequemlichkeit", dass Frauen nur Teilzeit arbeiteten, wie es in aktuellen Debatten vermittelt werde, sondern ein "Arrangement mit schlechten Rahmenbedingungen" für Mütter und pflegende Angehörige.
Unbedingt notwendig sei die Schaffung eines Digitalisierungsfonds, "damit die Hände frei werden für die Pflege am Menschen", forderte der Wiener Caritas-Direktor Klaus Schwertner. "Unsere Mitarbeitenden erleben ihren Beruf als erfüllend und sinnstiftend. Sie gehen nicht in die Pflege, um am PC stundenlang zu dokumentieren", so Schwertner. Bis zu drei Stunden am Tag müssten Pflegerinnen und Pfleger für Dokumentationszwecke am Rechner aufbringen. Hier müssten die Chancen der Digitalisierung genutzt werden. "Wenn wir nicht wollen, dass die Pflege selbst zum Pflegefall wird, muss die Politik jetzt handeln", lautete sein Appell.
"Pflege ist systemrelevant"
Pflege sei systemrelevant und "too big to fail", fuhr Schwertner fort. Die Möglichkeit der Caritas als Dienstgeber, für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen, sei aufgrund starrer Richtlinien und fehlender Finanzierung begrenzt. Erforderlich sei daher Rückendeckung vonseiten der Politik. Bund, Länder und Sozialversicherungsträger. Diese müssten an einem Strang ziehen, "um Pflege für unsere Eltern, Großeltern und irgendwann uns selbst zukunftssicher zu machen".
Die Studie der UMIT Tirol beruht auf einer querschnittlichen Online-Befragung von 409 Teilzeit-Pflegepersonen der Caritas Österreich. Der Altersdurchschnitt betrug 45 Jahre. 89 Prozent der Befragten waren Frauen, 11 Prozent waren Männer. Als wichtige Rahmenbedingungen für eine Aufstockung der Arbeitsstunden stuften die Befragten Vorgesetzte ein, die wertschätzend und respektvoll sind (97 Prozent), ein höheres Grundgehalt (88 Prozent), höhere Sonderzahlungen, etwa bei akutem Einspringen oder Überstunden (87 Prozent), und mehr Anerkennung für die Arbeit in der Pflege und Betreuung (83 Prozent).