Kuhglocken, ein plätschernder Bach und grasende Schafe - wohl kaum ein Bild prägt unsere Vorstellung von Almen stärker als dieses. Almen jedoch bieten weit mehr. So sind sie nicht nur ein beliebter Erholungsort, der unsere Sinne anregt, sondern auch ein bedeutsamer Hotspot der Biodiversität: Alpine Flächen werden häufig extensiv bewirtschaftet, was Lebensräume für verschiedene Tier- und Pflanzenarten ermöglicht. Sie gelten somit als eines der wenigen positiven Beispiele menschlichen Eingriffs in die Natur - mit Vorteilen für Tier und Mensch. Doch wie steht es um die Biodiversität auf Österreichs Almen in einer Zeit schwindender Bewirtschaftung?
Zwei alpine Forschungsstationen (Tennengebirge und Naturpark Riedingtal), die dem Fachbereich Umwelt und Biodiversität an der Universität Salzburg angebunden sind, forschen zu dieser Frage. Seit Jahrzehnten sammeln Wissenschafter Daten zu Pflanzen, Tieren und Landwirtschaft auf den Almen. Einer von ihnen ist Jan Christian Habel, welcher sagt, das Besondere an Almen sei, "dass es Bereiche gibt, die eine magere Vegetation aufweisen, unmittelbar neben Stellen, die feucht sind - und sogar kleine Moore und Waldstücke können nebeneinander existieren". Die extensive, schonende Bewirtschaftung unter Vermeidung von Pestiziden und Düngung begünstige darüber hinaus sogar Lebensräume für seltene, inzwischen stark vom Aussterben bedrohte Lebewesen.
"Dieses Mosaik an Lebensräumen führt zu einem Angebot unterschiedlicher ökologischer Nischen", erklärt Habel. Es würden spezielle Bedingungen geschaffen, die bestimmten Tier- oder Pflanzenarten genau das bieten, was sie zum Überleben brauchen, wie etwa Feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung, Bodenbeschaffenheit oder Nahrung. Doch auch positive Effekte auf den Menschen sind belegbar - wie etwa ein Projekt der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg (PMU) bereits vor ein paar Jahren zeigte: 30 Teilnehmende ohne landwirtschaftlichen Hintergrund lebten und arbeiteten eine Woche lang auf der Alm im Salzburger Riedingtal. Sie berichteten von Gefühlen der Entschleunigung und Entspannung sowie von besserem Wohlbefinden. Wichtig ist laut den Forschenden, dass Almen weiterhin beweidet werden - denn nur so bleibe ihr gesundheitlicher Wert erhalten.
Das betont auch Jan Christian Habel. Denn neben klimabedingten Veränderungen, welche die Artengrenzen und Lebensräume verschieben können, bedrohe auch ein Wandel landwirtschaftlicher Nutzung die Zukunft von Almen: "Die Bewirtschaftung der Almen ist für viele Landwirtinnen und Landwirte nicht mehr lukrativ", sagt Habel. Dort, wo es die Topografie zulässt, wurde die Nutzung zwar intensiviert, etwa auf flacheren Almen. Diese Intensivierung führe jedoch zu einer Homogenisierung der Flächen: "Alpine Flächen werden eingeebnet, gedüngt, neu eingesät oder mehrfach abgemäht, wodurch die Artenvielfalt rapide abnimmt", erklärt Habel.
Auf der anderen Seite gebe es auch das gegenteilige Phänomen - nämlich die vollständige Aufgabe der Nutzung, ergänzt Habel. Wo sich die Bewirtschaftung gar nicht mehr lohnt, würden die einst offenen Landschaften rasch zuwachsen, bis der Wald sie vollständig zurückholt. Auch das führe zum Verlust wertvoller Lebensräume und zum Verschwinden inzwischen seltener Arten.
Almen sind ein Paradebeispiel dafür, dass ein großer Teil der heutigen Artenvielfalt Mitteleuropas nur durch jahrhundertelange, extensive Nutzung entstanden ist - und auch nur durch ebendiese so erhalten bleiben kann. Um die Almbewirtschaftung attraktiv zu halten, seien deshalb gezielte Förderprogramme nötig, ist Habel überzeugt. Man erhalte im Gegenzug nicht nur einen ökologischen, sondern auch einen kulturellen und wirtschaftlichen Nutzen. Denn: Alpine Weiden stärkten den Tourismus, produzierten qualitativ hochwertige Lebensmittel und pflegten die Kulturlandschaft.


