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Erdbebenhistorie bis Klimawandel: Höhlen-Konferenz steigt in Wien

Zweitägiger hochrangiger wissenschaftlicher Austausch an ÖAW . Karstgebiete und -höhlen im Fokus. Experte: "Grundwasserschutz ohne Forschung ist eigentlich nicht vorstellbar."

Höhlenforscher tagen in Wien.
Höhlenforscher tagen in Wien.

Höhlen sind Zeitkapseln, in denen das Weltgeschehen mit abbildet wird, und die einstige oberirdische Vorgänge nachhaltig konserviert werden. Die Wissenschaft erschließt Höhlen mittlerweile mit vielfältigen Forschungsmethoden. In einer Konferenz an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) diskutiert man nun etwa, wie sich die jüngere Erdbebengeschichte Österreichs untertags nachvollziehen lässt, oder wie der Klimawandel dort greifbar wird.

Unter dem Titel "Highlights of Geoscientific Cave Research" tagen internationale Vertreter zahlreicher Fachrichtungen am Freitag und Samstag (11.-12. November) auf Einladung der Kommission für Geowissenschaften der ÖAW in Wien. Auch wenn die Höhlensysteme in Österreich traditionell gut erschlossen sind, halten die oft weit verzweigten unterirdischen Welten noch viele Antworten bereit. Aktuell sind in Österreich über 18.000 Höhlen verzeichnet und jährlich werden es um rund 350 mehr. Etwa 2500 Kilometer wurden untertags auf dem Bundesgebiet bisher vermessen.

Höhlenforscher verbringen teils um die zwei Wochen durchgehend in den Systemen und vollbringen dabei Kletter-Höchstleistungen, so Christoph Spötl vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck und einer der Organisatoren der Konferenz gegenüber der APA. Während am Samstag vor allem die Entstehung von Karst-Höhlen im Mittelpunkt steht, beleuchten die Wissenschafter am Freitag die Themen "Höhlen als Archiv für Landschaftsveränderungen", "Trinkwasser", "Funktion und künstlerische Nutzung von Höhlen in der Urgeschichte" und "Klimawandel".

Mit neuen Ansätzen zur zeitlichen Einordnung von früheren Vorkommnissen, die in den Systemen teils winzige Spuren hinterlassen haben, nähern sich Wissenschafter etwa der Erdbebengeschichte in den Alpen an. Während an der Oberfläche Spuren von bis zu rund 500.000 Jahre zurückliegenden Erschütterungen die Eiszeit-Gletscher weitestgehend beseitigt haben, gibt es in Höhlen winzige Bruchlinien, die auf frühere Verwerfungen hindeuten.

Der auch an der Uni Wien tätige polnische Forscher Jacek Szczygieł sucht intensiv nach diesen. Das sei auch wichtig, um abschätzen zu können, in welchen Regionen es einmal erhöhtes Risiko gab und möglicherweise noch gibt - auch wenn man von Prognosen weit entfernt sei, betonte Spötl. Hier dürfte es in Zukunft interessante neue Erkenntnisse von mehreren Forschungsgruppen hierzulande geben, so der Wissenschafter: "Man grenzt dieses 'Biest' von verschiedenen Seiten ein."

Für die Klimawandel-Forschung halten die Höhlen vor allem Informationen darüber bereit, wie rasch bzw. langsam ähnliche Veränderungen natürlichen Ursprungs früher abgelaufen sind, bzw. wo sich der menschgemachte Wandel hier einreiht. Spötl und Kollegen erkunden die Klimageschichte anhand von Ablagerungen in Tropfsteinen in Höhlen. Auch wenn in Österreich die Niederschläge weiter relativ üppig ausfallen, sei es etwa sehr interessant, wenn man herauszufinden könnte, wie der Mittelmeerraum reagiert hat, als es dort in der Vergangenheit zum Beispiel im Schnitt um zwei Grad Celsius wärmer war.

Dem Thema "Grundwasser in Karstgebieten und -höhlen" geht man länderübergreifend verstärkt nach. Insgesamt rund zwei Milliarden Menschen sind auf Wasser aus solchen Gebieten angewiesen, in Österreich sind es um die 20 Prozent der Bevölkerung, so Spötl. Während hierzulande etwa das Hochschwab- oder Raxgebiet nicht gefährdet seien, ist es in anderen Weltregionen um den Grundwasserschutz nicht so gut bestellt. "Wir können in den Höhlen direkt in das Grundwasser hineinschauen", betonte der Innsbrucker Forscher. Das tut man im Untersberg bei Salzburg auch. Wissenschafter messen hier die Entwicklung des Wasserspiegels und führen Experimente durch. Spötl: "Grundwasserschutz ohne Forschung ist eigentlich nicht vorstellbar."