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Formel 1: 2026 bringt "grünen" Verbrenner und aktive Aerodynamik

Regel-Revolution sorgt für Begrünung der Königsklasse. Stärkere Batterie und nachhaltigere Kraftstoffe. Aktive Aerodynamik kommt, "Ground Effect" weniger entscheidend.

Bei neuen Formel-1-Reglement (im Bild Red-Bull-Pilot Max Verstappen) ist der Co2-neutral Sprit wohl die auffälligste Änderung.
Bei neuen Formel-1-Reglement (im Bild Red-Bull-Pilot Max Verstappen) ist der Co2-neutral Sprit wohl die auffälligste Änderung.

In der Formel 1 kündigt sich eine neue Ära an. Mit Beginn der Saison 2026 werden die Autos kleiner, leichter und vor allem umweltfreundlicher. Das Herzstück der Revolution ist die Antriebseinheit, durch die sich die Motorsport-Königsklasse als technologische Speerspitze und Vorreiterin in Sachen Klimaschutz positionieren will. Das soll durch "CO2-neutrale" Kraftstoffe und deutlich mehr Batterie-Power im Hybrid erreicht werden. Zudem wird eine aktive Aerodynamik eingeführt.

Die größte Änderung betrifft die elektrische Komponente, die massiv aufgewertet wird. Bei den Bremsvorgängen wird deutlich mehr Energie rekuperiert als bisher, der Output der Batterie steigt von aktuell 120 kW auf 350 kW fast um den Faktor drei. Gleichzeitig sinkt die Leistung des V6-Verbrenners auf rund 400 kW. Rund 45 Prozent der Gesamtleistung, die bei über 1.000 PS liegt, steuert die Batterie bei, etwas mehr als die Hälfte kommt vom Verbrenner, der damit viel weniger Sprit verbraucht. Statt aktuell 105 kg pro Rennen werden es in Zukunft zwischen 75 und 80 kg sein.

Sprit wird "CO2-neutral"

Stichwort Benzin - das ist das zweite bedeutsame Novum. Denn der Verbrenner darf künftig nur noch mit "vollständig nachhaltigem" Kraftstoff betrieben werden. Dieser bläst im Idealfall kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre, sondern emittiert nur, was bei der Herstellung an CO2 aus der Umwelt gewonnen wurde. Daher werden solche Gemische als "CO2-neutral" bezeichnet, obwohl bei der Verbrennung natürlich CO2 ausgestoßen wird.

Über den Herstellungsprozess ist von Saudi Aramco, dem Öl-Riesen in den Händen des Staates Saudi-Arabien, nichts in Erfahrung zu bringen. Nur so viel, dass es sich um einen synthetischen Kraftstoff handelt, der aus einer Kombination von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und abgeschiedenem CO2 produziert wird. "Wir glauben, dass dieser Kraftstoff einen erheblichen Nutzen für den gesamten Automobilsektor haben könnte, insbesondere wenn er als 'Drop-in'-Kraftstoff in bestehenden Straßenfahrzeugen mit Verbrennungsmotor verwendet wird", erklärte die Formel 1, die bis 2030 "klimaneutral" werden will.

Synthetische Kraftstoffe für Serienproduktion nicht geeignet

Allerdings dürften solche Kraftstoffe wegen ihrer negativen Energiebilanz auf absehbare Zeit keine massentaugliche Lösung für den Straßenverkehr sein. Zuletzt kam vor wenigen Monaten eine in Deutschland erstellte Metastudie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) zu diesem Schluss, die Denkfabrik analysierte unter anderem Erkenntnisse des ADAC, des deutschen Umweltministeriums und der Internationalen Energieagentur (IEA). Das Fazit: Es ist wesentlich effizienter, ein Auto direkt mit Strom zu betreiben, als mit enormen Mengen Strom erst synthetische Kraftstoffe zu erzeugen und diese dann im Auto zu verbrennen.

Dennoch war die neue Motor-Formel reizvoll genug, um vier weitere Hersteller in die Formel 1 zu locken: Audi und Cadillac steigen 2026 jeweils mit einem eigenen Team ein, wobei Cadillac vorläufig Ferrari-Motoren verwenden wird. Außerdem produziert Honda die Antriebseinheit für den Rennstall Aston Martin, Ford ging eine Partnerschaft mit Red Bull Powertrains ein. Nur Renault verlässt die Formel 1 als Motor-Hersteller - das Alpine-Team setzt künftig auf Mercedes-Pferdestärken.

Auch das Erscheinungsbild der Autos ändert sich, allerdings nicht so gravierend. Die Wagen werden kürzer, schmäler und - trotz schwererer Batterie - leichter. Dadurch sollen sie in Zukunft auch wendiger sein. Bei der Aerodynamik wird generell abgerüstet, verliert der Unterboden ("Ground Effect") seine entscheidende Bedeutung. Das Regelwerk sieht eine aktive Aerodynamik mit verstellbaren Flügeln vor, um bei Anwendung höhere Kurvengeschwindigkeiten und höhere Topspeeds zu ermöglichen. Das klassische DRS hat ausgedient, stattdessen gibt es künftig einen neuen Boost-Modus, bei dem eine Runde lang die volle elektrische Leistung abgerufen werden kann.

Erinnerungen an 2014

Eine ähnlich tiefgreifende Reform in der Formel 1 gab es zuletzt vor Beginn der Saison 2014. Damals wurde das bestehende Motor-Reglement komplett über den Haufen geworfen und der bis heute verwendete 1,6-Liter-V6-Turbo-Hybrid eingeführt. Was folgte, waren dramatische Verschiebungen in der Hackordnung: Mercedes war auf einmal das Team der Stunde und dominierte die Konstrukteurs-WM in der Folge bis 2022.

Dieses Mal könnte es ähnlich ablaufen. Nur welchem Team in technischer Hinsicht der größte Wurf gelingen wird, weiß noch niemand. Vor allem das Zusammenspiel von Verbrenner, Batterie und Kraftstoff wird entscheidend sein. "Es kann schon sein, dass irgendjemand einen Genius-Wurf hinlegt, den die anderen übersehen haben", konstatierte Mercedes-Boss Toto Wolff im Sommer in Spielberg.