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Forscher zeigen verschiedene Gesellschaftsentwürfe vor 7.000 Jahren

Im Donauraum weilten laut einer neuen Analyse alter DNA vor 6.000 bis 7.000 Jahren sehr abgeschlossen lebende Gesellschaften gar nicht weit von deutlich offeneren Gruppen entfernt. Das zeigt ein Team unter der Leitung ungarischer Wissenschafter im Fachjournal "Nature Communications". Nur rund 100 Kilometer lagen zwei genetisch recht unterschiedlich zusammengesetzte Gruppen einst auseinander, so das Team, dem auch Ron Pinhasi von der Uni Wien angehörte.

Das heute noch erhaltene Erbgut von insgesamt 125 Personen, die im Zeitraum vor rund 3.900 bis 4.800 Jahren vor unserer Zeitrechnung (v.u.Z.) im Karpatenbecken - also großteils im heutigen Ungarn und Rumänien - lebten, hat ein Team um Anna Szécsényi-Nagy von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und Zsuzsanna Siklósi von der Eötvös Loránd Universität in Budapest detailliert untersucht und miteinander verglichen. So wollte man mehr über die Zusammensetzung der einstigen Bevölkerung in der von der Donau und ihren Zubringerflüssen geprägten Region herausfinden.

Neue Forschung am Epochen-Übergang

Aus der alten DNA, die sich in den sterblichen Überresten der Menschen aus jener Zeit finden, kann heute noch viel über die Lebens- und Bestattungsweise in der späten Jungsteinzeit und frühen Kupferzeit herausgelesen werden. Schon in der Jungsteinzeit gab es im Karpatenbecken recht große Siedlungen, schreiben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter in ihrer Arbeit. In der darauffolgenden Kupferzeit dominierte hingegen eher ein engeres Netzwerk kleinerer Siedlungen.

Am Übergang zwischen den beiden Epochen änderte sich u.a. auch die Keramikherstellung oder der Zugang zu Bestattungen. Verantwortlich für die Veränderungen könnten neue Technologien, Migration, wirtschaftliche Neuerungen, klimatische Veränderungen oder neue Organisationsformen in den Gesellschaften gewesen sein, heißt es in der Publikation. Außerdem fand man am Ende der Jungsteinzeit viele Hinweise auf größere kriegerische Auseinandersetzungen, wie etwa in der Siedlung von Schletz bei Asparn an der Zaya im heutigen Niederösterreich.

Kontinuität in ungarischer Tiefebene, aber nicht überall

Die neuen Analysen legen nahe, dass tiefgreifende Änderungen in der ungarischen Tiefebene - wie vielfach vermutet - nicht dadurch verursacht wurden, dass neu eingewanderte Gruppen die ansässige Bevölkerung verdrängten. Vielmehr zeigen sich an vielen untersuchten Stätten genetisch eher stabile Gruppen, deren Mitglieder in verschiedenen Abstufungen miteinander verwandt waren und die die sozialen Veränderungen offenbar ohne großen Einfluss von außen durchmachten. So nahm die genetische Variabilität insgesamt eher ab. Das galt vor allem für die Individuen aus der Region um die heutige Stadt Polgár im Osten Ungarns und die Menschen, die im nahe gelegenen Basatanya begraben wurden.

Anders der Befund aus der nur rund 100 Kilometer entfernten Fundstätte

Urziceni-Vamă an der heutigen Grenze zwischen Ungarn und Rumänien: Dort fanden sich zum Beispiel keine Hinweise auf Verbindungen zwischen Cousins und Cousinen. Die Menschen, die in diesem Gräberfeld nahe beisammen lagen, waren weniger eng miteinander verwandt, und es fanden sich dort mehr Individuen - vor allem Frauen -, deren Erbgut sich teils stark vom Rest der Gruppe unterschied.

Dies deute auf eine gegenüber Außenstehenden offenere Gruppe hin, in der die gesellschaftlichen Abläufe auch anders strukturiert gewesen sein dürften. Das zeige, wie erstaunlich unterschiedlich die Gesellschaftsentwürfe und Gepflogenheiten in der Region in der frühen Bronzezeit waren, wie die Forscherinnen und Forscher festhalten.