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Schnupfen schützt teilweise vor Covid-19

Eine Infektion mit Rhinoviren, die klassischen Erreger von Schnupfen, schützt offenbar teilweise gegen Covid-19. Das haben US-Wissenschafter in einer groß angelegten Studie mit regelmäßigen Abstrichuntersuchungen zwischen Mai 2020 und Februar 2021 herausgefunden. Die wahrscheinliche Ursache: Eine Rhinovirus-Infektion aktiviert die unspezifische Immunabwehr der Betroffenen an, was in der Folge auch gegen SARS-CoV-2 wirkt.

Erkältungen durch Rhinoviren schützen teils vor Covid
Erkältungen durch Rhinoviren schützen teils vor Covid

"Eine neue Studie unter der Leitung von Forschern des National Jewish Health hat ergeben, dass eine vor kurzem durchgemachte Erkältung - häufig verursacht durch Rhinoviren - vorübergehenden Schutz vor einer Infektion mit SARS-CoV-2, dem Erreger von Covid-19, bieten kann. Die Forschung liefert neue Erkenntnisse darüber, warum Kinder seltener Covid-19-Symptome entwickeln als Erwachsene und könnte neue Wege aufzeigen, die Schwere von Atemwegserkrankungen zu reduzieren", schrieb die Klinik in Denver im US-Bundesstaat Colorado in einer Presseaussendung zu der wissenschaftlichen Arbeit von Max Seibold und seinen Co-Autoren, die im "Journal of Infectious Diseases" (https://doi.org/10.1093/infdis/jiaf374) erschienen ist.

Die Wissenschafter gingen von folgenden Voraussetzungen aus: Erwachsene und Kinder reagieren oft unterschiedlich auf eine Infektion mit SARS-CoV-2. Erwachsene haben ein höheres Risiko für symptomatische und schwere Erkrankungen. Wir gehen davon aus, dass der Schutz von Kindern vor symptomatischem SARS-CoV-2 auf häufigere durch andere Viren verursachte Atemwegsinfektionen zurückzuführen sein könnte, die ihre antivirale Abwehr in den Atemwegen stärken."

SARS-CoV-2-Risiko halbiert

Die Wissenschafter verwendeten für ihre detaillierte Untersuchung 1.000 Abstrichproben (Rachen/Nase), die im Rahmen einer noch viel größeren Untersuchung in 1.394 US-Haushalten (insgesamt 36.000 Proben) gewonnen worden waren. Die Probanden, alle Angehörigen der Haushalte, hatten zweimal pro Monat einen Abstrichtest durchgeführt. Die Proben wurden eingeschickt und auf 21 verschiedene Erreger von Atemwegserkrankungen untersucht.

Das Hauptergebnis, so die Autoren der Studie: "Teilnehmer mit einer Rhinovirusinfektion in den vorangegangenen 30 Tagen hatten ein um 48 Prozent geringeres Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion. Bei Teilnehmern mit einer SARS-CoV-2-Infektion war ein kurz zuvor überstandener Schnupfen mit einer 9,6-fach niedrigeren SARS-CoV-2-Viruslast verbunden." Gab es in den Proben aber Hinweise auf gleichzeitige Rhinovirus- und SARS-CoV-2-Infektionen, war die Belastung mit den Covid-19-Erreger etwa so hoch wie bei den Studienteilnehmern mit SARS-CoV-2-Infektion und ohne vorherigen Schnupfen, Heiserkeit etc.

Unspezifische Immunantwort angekurbelt

Die Wissenschafter forschten weiter nach den Ursachen der offenbaren Schutzwirkung der Rhinovirus-Infektion. Dabei untersuchten sie die Genexpressionsmuster von Zellen der Nasenschleimhaut. Dabei stießen sie auf 22 im Rahmen von vorhergehenden banalen Atemwegserkrankungen stärker aktivierte Gene, die an der Abwehr von Viren beteiligt sind. Besonders hervorstechend war dabei die Aktivierung der Gene DDX58 und IFIH1. Sie sind Teile von Rezeptoren, die in den Organismus eingedrungene Viren buchstäblich "riechen" können. Daraufhin wird die Produktion von Abwehrstoffen in der Form von Interferonen als eine der ersten Gegenmaßnahmen in Gang gesetzt.

Die Expression der mit den Interferonen als unspezifische Immunabwehr zusammenhängenden Gene war übrigens bei den an der Studie teilnehmenden Kindern stärker als unter den Erwachsenen. Der Umstand, dass sich Kinder auch noch doppelt so häufig wie Erwachsene mit Rhinoviren infizierten, könnte demnach eine Erklärung für seltener symptomatische Covid-19-Erkrankungen bei Kindern sein. Die Wissenschaft spricht bei solchen Phänomenen von Virus-Interferenz - eine Virusinfektion behindert eine zweite, darauf folgende.