Jeder spricht von Interdisziplinarität. Aber wie geht das - und warum braucht die Forschung gesprengte Fachgrenzen?
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Forschung kann eigentlich nur davon profitieren, dass sich Disziplinen austauschen. Dennoch wird es nicht immer gelebt.
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Der Workshop auf der Erentrudisalm widmete sich der Transdisziplinarität.
Es sagt sich so leicht: sich mal die Schuhe des anderen anziehen, etwas aus einem neuen Blickwinkel betrachten. Doch so einfach ist das nicht. Denn dafür braucht es etwa eine gemeinsame Basis, eine gemeinsame Sprache.
An dieser Sprache haben vor Kurzem 20 Interessierte auf der Salzburger Erentrudisalm getüftelt: Organisiert vom Forschungszentrum der Universität Mozarteum, kamen Technikerinnen und Techniker, Künstlerinnen und Künstler, Digitalisierungsbeauftragte und Fördergeber zu "Reflexionen am Berg zur inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit" zusammen.
Interdisziplinarität meine nicht nur das Zusammentragen von Information aus verschiedenen Disziplinen, sagt Eugen Banauch, Leiter des Forschungsmanagements. "Es geht um die Schnittstellen, zu versuchen, sich in die andere Perspektive reinzudenken und zu experimentieren."
Das Ziel des Tages auf der Erentrudisalm war es, interessierte Köpfe zusammenzubringen. "Wenn der Austausch funktioniert, ist viel gewonnen", sagt Banauch. Der Workshop startete mit Impulsvorträgen, bevor in Gruppen und sogenannten Cabin Talks weiterdiskutiert wurde. Beim Cabin Talk hatten einzelne Personen zwei Minuten Zeit, um andere Teilnehmende von ihren Themen zu überzeugen - und sie zum Mitarbeiten zu motivieren. Die Alm sei ein schöner Raum für Gespräche, sagt Banauch. "Sie ist weit genug von Salzburg entfernt, um auf andere Gedanken zu kommen."
"Die Welt funktioniert nicht in Rastern."
Eva-Maria Schitter
Forscherin
Eva-Maria Schitter arbeitet bereits jetzt in einem interdisziplinären Team. Die Salzburgerin forscht im Projekt "Image+" an der Weiterentwicklung eines digitalen Bildarchivs, zusammen mit Expertinnen und Experten im Programmieren, der Kunstpädagogik, im Bildrecht und der Kunstgeschichte.
Die Arbeit in einer Gemeinschaft empfindet Schitter als sinnstiftend: "Das Konzept vom solitären Einzelkämpfertum darf sich auflösen." Der Kunst dürfe hier ruhig etwas zugetraut werden, bisher würde sie manchmal nicht als ebenbürtig betrachtet. "In der Kunst ist anfangs vieles diffus, während es in der Mathematik richtig oder falsch gibt. Doch die Welt funktioniert nicht in Rastern, sich über die eigenen Methoden zu verständigen kann sehr inspirierend sein."
Der Workshop auf der Alm habe einen Denkraum aufgemacht: "Ich finde es wichtig, die jeweiligen Stärken aus den Disziplinen in einem größeren Radius ausspielen zu können - größer als der eigene. Sich gegenseitig zu verstehen ist da essenziell", sagt Schitter.
Interdisziplinarität schaffe Innovation, sagt auch Doris Fuschlberger. Sie ist Leiterin des Projekts "Digitalisierungsoffensive Landesmuseen". Warum ist es wichtig, dass Kunst und Technik gemeinsam rätseln? In Museen könnten Besuchende die Aura der Originalobjekte spüren. Doch sie müssten erst einmal in das Museum gehen. Und hier könnte die Technik helfen: "Wir sind es gewohnt, das Smartphone in allen Lebensbereichen zu benutzen." Technik könne Information, Ticketing, aber auch Raum für Diskurs bieten oder jüngere Zielgruppen erreichen.
"Nachhaltigkeit ist per se interdisziplinär."
Maria Kalleitner-Huber
Umweltmanagement
Die Universitäten, Forschungseinrichtungen und auch die Museen seien eher traditionell organisiert. Der Workshop auf der Erentrudisalm sei spannend gewesen, da er so offen war, sagt Fuschlberger. "Wir haben mit agilen Methoden gearbeitet. Es sind interessante Gespräche und Ideen entstanden."
Von etwas starren Strukturen spricht auch Eva Kraxberger. Sie arbeitet für die Wissensstadt Salzburg und ist auch für den Förderbereich der Kulturabteilung der Stadt Salzburg zuständig. Künstlerinnen und Künstler würden zunehmend in verschiedenen Medien arbeiten - die Fördertöpfe hätten aber ganz eindeutige Mascherl: Theater etwa, Tanz oder bildende Kunst. "In Zukunft möchten wir da flexibler werden", sagt Kraxberger. Es gebe sehr viel Wissen in der Stadt: "Es ist sehr wertvoll, das zu teilen. Und es ist auf längere Sicht besser, als wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht."
Nachhaltigkeit sei per se interdisziplinär, meint hingegen Maria Kalleitner-Huber. Sie ist an der Universität Mozarteum für Umweltmanagement zuständig. Wie war es für sie, als Naturwissenschafterin an einer Kunstuni zu beginnen? Erfrischend, sagt Kalleitner-Huber. In ihrer Fachcommunity habe sich eine gewisse Ernüchterung breitgemacht. Sie habe immer wieder auf die Dringlichkeit der Klimakrise hingewiesen, aber auf kommunaler Ebene gehe zu wenig weiter. "Die künstlerische Perspektive kann hier einen anderen Zugang bieten, kreative Lösungswege entwickeln, um die Herausforderungen anders anzugehen", meint sie.
Von der Erentrudisalm nimmt Kalleitner-Huber deshalb viel Motivation und Bestärkung mit. Das lässt neue Ideen und Projekte wachsen: "Wenn man sich darauf einlässt, kann sich etwas ergeben."