Der Frühling lockt jedes Jahr viele Rad- und Rolleranfänger auf Spielplätze, Radwege und Gehsteige. Doch längst nicht alle Rad- und Rollerunfälle von Kindern sind ungefährlich. Das kann bei größeren Gefäßverletzungen bis zu zu Amputationen von Armen und Beinen führen oder äußerste Lebensgefahr bedeuten, warnte jetzt Jörg Heckenkamp, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG).
Zumeist geht es bei stumpfen Verletzungen zum Glück bloß um harmlose Blutergüsse. "Wir sprechen von einem Hämatom, wenn ein kleineres Gefäß - ob nun Arterie oder Vene - reißt und Blut in das umliegende Gewebe austritt", wurde Heckenkamp in einer Aussendung seiner Fachgesellschaft zitiert. Zwar heile eine solche kleinere Gefäßblutung innerhalb von zwei bis drei Wochen wieder von selbst ab. Ein wenig beschleunigen könne man den Heilungsprozess aber. "Am besten mit einem elastischen Wickel oder der Hand vorsichtig Druck auf die verletzte Stelle ausüben und eine Salbe mit entzündungshemmenden und schmerzstillenden Inhaltsstoffen auftragen", riet der DGG-Präsident.
Doch nicht alle Gefäßblutungen enden so harmlos. "Deutlich gefährlicher kann es sein, wenn man sich einen Lenker in den Bauch rammt, wie es Kindern beim Sturz mit dem Fahrrad oder Erwachsenen beim Tretroller- oder Motorradunfall geschehen kann", sagte der Gefäßchirurg. Dabei können Gefäße in Milz und Leber verletzt werden - mit der Folge innerer Blutungen, die lebensbedrohliches Ausmaß annehmen können. "Solche Lenkrad-Unfälle sehen wir immer wieder in der Klinik", berichtete Heckenkamp. "Lassen die Schmerzen nach einem Unfall nicht nach, sollte man einen Ultraschall durchführen lassen", riet der Gefäßmediziner.
Auch unfallbedingte Frakturen bergen potenziell große Gefahren. So brechen sich kleine Kinder manchmal den Ellbogen. Das Problem dabei, so der Experte: Drückt der gebrochene Knochen die Armschlagader ab, wird der Unterarm nicht mehr mit Blut versorgt - im schlimmsten Fall droht eine Amputation. "Ähnliches kann Motorrad- und Skifahrern bei einem Bruch des Schienbeinkopfs passieren", ergänzte Heckenkamp. "Auch hier können Gefäße so abgeklemmt werden, dass die Blutversorgung des Unterschenkels ausbleibt und die Extremität abstirbt." Deshalb sei es wichtig, bei einem Knochenbruch immer die Durchblutung zu prüfen und den Puls zu fühlen. "Auch, wenn der Patient bereits eingegipst ist und über Beschwerden klagt, muss man nachschauen, ob alles in Ordnung ist", betonte Heckenkamp.
Manchmal entstehen durch den Gips Schwellungen, die Blutgefäße abklemmen.
Ist das Gefäßproblem erkannt, kann eine gefäßchirurgische Intervention die Gefahr einer Amputation zumeist abwenden. Entweder wird der Knochen so eingerichtet, dass das Gefäß nicht mehr abgeklemmt wird oder man rekonstruiert das beschädigte Gefäß mit einer kleinen Naht oder auch einem Bypass. Die lebensgefährlichsten Gefäßverletzungen ist der Einriss der Hauptschlagader (Aorta) im Brustraum - zumeist nach Autounfällen mit hoher Geschwindigkeit. "Dann geht es um Leben und Tod, denn die Betroffenen versterben sehr schnell an der inneren Blutung", sagte der DGG-Präsident.
Der Patient muss sofort in ein Krankenhaus geflogen, wo eine Computertomographie zur Abklärung durchgeführt wird. In der Klinik steht ein hochspezialisiertes Team aus Unfall- und Gefäßchirurgen zur sofortigen Notfalloperation bereit. "Bei einer solchen gravierenden Gefäßverletzung kommt es auf jede Sekunde an", betonte Heckenkamp.