"Die Covid-19-Pandemie hat die Gesundheitssysteme weltweit erheblich beeinträchtigt und zu Herausforderungen im Umgang mit Long Covid geführt. Abweichungen bei Definitionen und Diagnosekriterien in Europa erschweren die Erkennung und die Behandlung", haben jetzt Experten aus ganz Europa im "European Journal of General Practice" (doi: 10.1080/13814788.2025.2535618) geschrieben.
Allgemeinmediziner (General Practice) sind in allen Ländern entscheidend für die Versorgung von Patienten, welche nach einer akuten Covid-19-Erkrankung mittel- und langfristig an den verschiedenen Folgesymptomen leiden. Wissenschafter von Dutzenden europäischen Zentren für öffentliche Gesundheit, Allgemeinmedizin bzw. Primärversorgung in insgesamt 34 Ländern, unter ihnen auch Kathryn Hoffmann von der Meduni Wien, haben deshalb in einem Online-Fragebogen Informationen über die verschiedenen in Europa verwendeten Kriterien für Long Covid gesammelt und analysiert.
Anwendung multipler Kategorien
Das eindeutige Ergebnis: "Am häufigsten wurde jeweils eine ,andere' Definition verwendet (50 Prozent), gefolgt von der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO: 47%) und der Definition des CDC (US-Zentren für Krankheitskontrolle; 32,3%). Die Hälfte der Länder gab an, mehrere Kategorisierungen gleichzeitig zu benutzen, was auf einen Mangel an Standardisierung hindeutet." Insgesamt führen die Fachleute neun international genannte Long-Covid-Klassifizierungen an.
Bekannt sind beispielsweise die "Long-(Post)-Covid-Syndrom"-Definitionen des britischen NICE-Gremiums (National Institute for Health and Care Excellence). Unter Post-Covid-19-Syndrom findet sich dort zum Beispiel: "Krankheitszeichen und Symptome, die während oder nach einer Covid-19-Infektion auftreten, mehr als zwölf Wochen anhalten und nicht durch andere Diagnosen erklärt werden."
Unterschiedliche Definitionen
Die US-Zentren für Krankheitskontrolle (CDC/Atlanta) fassen dies so auf: "Eine große Bandbreite an neuen, wieder auftretenden oder anhaltenden Gesundheitsproblemen, die vier Wochen oder länger nach einer Covid-19-Infektion andauern (Post-Covid-Folgen/Long Covid)." Bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet man Post-Covid-Folgen/Long Covid als "Anhalten oder Entwickeln von neuen Symptomen über drei Monate nach einer anfänglichen SARS-CoV-2-Infektion mit einer Dauer von zumindest zwei Monaten und keiner anderen Erklärung." In diesem Fall wird - genauso wie von den britischen Experten - auf den Ausschluss anderer Ursachen als SARS-CoV-2 verwiesen.
Das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle (ECDC) steuerte schließlich folgende Definition bei: "Eine extrem große Bandbreite an physischen und psychologischen Symptomen, die von Betroffenen zumindest zwölf Wochen lang nach einer Covid-19-Infektion berichtet werden."
Bei den verwendeten Definitionen für Long Covid zeigt sich in Europa laut in der Studie enthaltenen Landkarten ein klassischer "Fleckerlteppich". In Österreich werden demnach zum Beispiel die WHO-, die CDC- und die britische NICE-Definition sowie "andere" verwendet. Die amerikanische CDC-Definition für Long Covid findet ihre Anwendung (auch, nie exklusiv) in Ländern wie Frankreich, den Benelux-Staaten, Deutschland, Tschechien, Ungarn und anderen Ländern. Die WHO-Definition wird wiederum (teilweise) in Portugal und Spanien, in Irland, Polen, dem Baltikum oder zum Beispiel Finnland verwendet.
Unterschiedliche Definitionen bedeuten aber auch: unterschiedliche Diagnosemerkmale, unterschiedliche Therapieansätze und variierende Einteilungen, was medizinische und soziale Versorgung der Betroffenen angeht. Im Endeffekt behindert das auch die Forschung, weil es keine gemeinsamen und gültigen Grundlagen sowie allenfalls auch Maßstäbe für die Bewertung möglicher Therapien gibt.
Konsens dringend geboten
Es wäre laut den Autoren jedenfalls längst dringend geboten, in einem Konsens internationaler Fachleute eine allgemein gültige Definition für Long Covid zu schaffen. "Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer einheitlichen und dennoch ausreichend flexiblen Definition von Long Covid. Eine solche Definition würde Allgemeinmediziner unterstützen, indem sie Diagnoseprozesse vereinfacht, die Kontinuität der Versorgung verbessert und einen gleichberechtigten Patientenzugang zu multidisziplinären Ressourcen ermöglicht."
Der derzeitige Mangel an Konsens erschwere die Patientenversorgung, die Datenerhebung und die Ressourcenzuweisung und wirke sich auf die Reaktion der Gesundheitspolitik aus. Nur mit eindeutigen und überall anwendbaren Kriterien könnten die Long-Covid-Betroffenen gleichberechtigt auf eine wirksame medizinische Versorgung hoffen.