In ihrer Kindheit fotografierte ihr Vater, ein passionierter Hobbyastronom, die Sterne vom Garten aus. Beeindruckt von den schönen Bildern fasste Lisa Bugnet den Beschluss: "Ich will Wissenschafterin werden."
Knapp zwei Jahrzehnte später ist ihr Traum in Erfüllung gegangen: Die 29-jährige Astrophysikerin ist seit dem Vorjahr die wohl jüngste Professorin Österreichs. Die gebürtige Französin erforscht mithilfe von Astroseismologie die Magnetfelder von Sternen am renommierten Ista (Institute of Science and Technology Austria) in Klosterneuburg, wo sie eine fünfköpfige Forschungsgruppe leitet. Am Ista, das nach US-Vorbild aufgebaut ist, ähnelt ihre Stelle als Assistant Professor einer Professur an einer klassischen Universität.
Bugnet setzte sich gegen 1229 Mitbewerberinnen und -bewerber durch und begründete am Ista den neuen Bereich Astrophysik. Wie sie das geschafft hat? Das verriet sie den SN im Vorfeld des Internationalen Tags der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft, der am Sonntag begangen wird: "Eine große Rolle spielte die frühzeitige Karriereplanung sowie die Unterstützung von Mentorinnen und Mentoren, die mir gezeigt haben, was eine gute Bewerbung ausmacht. Am Anfang weiß man ja gar nicht, worauf man dabei achten soll. Man schafft das nicht allein." Sie habe früh gewusst, dass sie nicht jahrelang als Postdoc arbeiten und aufgrund befristeter Projekte häufig das Land wechseln, sondern eine Stelle mit fixem Wohnort möchte: "Hätte das nicht geklappt, hätte ich die Wissenschaft vielleicht bald verlassen."
In ihrer Alterskohorte würden sich zu wenige Forscherinnen und Forscher für prestigeträchtige Positionen wie die ihre bewerben, sagt sie: "Viele glauben, man bekomme solch eine gute Stelle erst, nachdem man vier bis sechs Jahre als Postdoc gearbeitet hat. Doch wartet man zu lange, schließt sich das Fenster wieder."
In den Naturwissenschaften nimmt der Frauenanteil im Laufe der wissenschaftlichen Laufbahn rapide ab: Bei den Doktoranden sind es in Europa im Schnitt 38 Prozent, bei Postdocs 35 Prozent, bei den Assistenzprofessuren und Professuren 28 bzw. 18 Prozent, zeigen "She Figures"-Daten aus dem Jahr 2021, die die EU alle drei Jahre veröffentlicht. In dem Bericht von 2021 heißt es: "Es gab kaum Fortschritte hin zu mehr Doktorandinnen in Naturwissenschaften, Technik und Ingenieurwesen."
Am Ista ist dieser Geschlechterunterschied weniger stark ausgeprägt, aber ebenfalls sichtbar: Der Frauenanteil bei den PhD-Studierenden liegt bei 43 Prozent, bei Postdoc-Stellen bei 34 Prozent, bei Professuren bei 16 Prozent (Ista-Zahlen aus dem Jahr 2023). Mit 38 Prozent Assistenzprofessorinnen, die am Ista auch mit der Leitung einer Forschungsgruppe betraut sind, liegt das Institut deutlich über dem EU-Schnitt. Differenzen gibt es aber zwischen den Disziplinen: 55 Prozent der Forschenden in der Biologie sind Frauen, in den Neurowissenschaften sind es am Ista exakt die Hälfte. In der Physik sind es jedoch lediglich 23 Prozent Frauen, in der Mathematik 21 Prozent und in den Computerwissenschaften gar acht Prozent.
Auch Bugnet hätte fast einen anderen Weg eingeschlagen: Als sie sich in der Oberstufe zwischen einem Biologie- oder Physikschwerpunkt entscheiden musste, wählten all ihre Freundinnen Biologie. Zuerst wollte sie nicht allein unter Männern sein, folgte aber dennoch ihrem Interesse und wählte Physik.
Mädchen, die sich für Forschung interessieren, rät sie: "Habt keine Angst. Wissenschaft hat den Ruf, sehr schwierig und kompliziert zu sein, aber das ist es nicht. Wenn du dich für Wissenschaft interessierst, geh den ganzen Weg." Und sie sagt: "Es sieht zwar nicht danach aus, aber wir sind schon viele - und wir werden Tag für Tag mehr."