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Menschen sind mobiler als Tiere

Es sind nicht die weit reisenden Zugvögel oder die Ozeane durchkreuzenden Wale, die zu den mobilsten Geschöpfen gehören. Woran das liegt.

Die Massebewegung menschlicher Vehikel entspricht jener sämtlicher Meereslebewesen.
Die Massebewegung menschlicher Vehikel entspricht jener sämtlicher Meereslebewesen.

Pro Jahr bewegen Menschen dank ihrer Fahrzeuge ihre Biomasse, also ihr Körpergewicht, darin um ein Vielfaches der Strecke, die alle anderen Landtiere und Vögel zusammen zurücklegen, berichtet ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal "Nature Ecology and Evolution". Die Massebewegung ihrer Vehikel alleine entspricht jener sämtlicher Meereslebewesen.

"Die Bewegung der menschlichen Biomasse ist heute rund 40-mal größer als jene aller wildlebenden Landsäugetiere, Vögel und Gliederfüßer (Insekten und Spinnentiere Anm.) zusammen", erklärt Dominik Wiedenhofer vom Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur in Wien in einer Aussendung.

Menschliche Biomasse am meisten im Auto bewegt

Die Menschen bewegen ihre Biomasse zu 65 Prozent mit dem Auto oder Motorrad, zu 20 Prozent zu Fuß oder per Fahrrad, zu zehn Prozent in Flugzeugen und zu fünf Prozent via Zug, berechneten die Forscher um Yuval Rosenberg vom Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel. Im Schnitt legt ein Mensch rund 30 Kilometer pro Tag zurück.

"Seit der Industriellen Revolution hat die Bewegung der menschlichen Biomasse um das 40-fache zugenommen", so Rosenberg. Das ist nur durch eine enorme Steigerung des Energieverbrauchs für die Mobilität möglich gewesen, erklärte Wiedenhofer gegenüber der APA: Vor der Industriellen Revolution kam die Energie für die Bewegung der menschlichen Biomasse fast ausschließlich aus der Nahrung für die Menschen sowie ihre Reit- und Zugtiere. Dann nutzten sie Kohle als fossile Energiequelle, um die Eisenbahnen zu befeuern. "Später erfolgte dann die wahre 'Explosion' der Mobilität durch das Auto und Öl", berichtete der Experte.

30 Prozent Körpergewicht-Zunahme bei Menschen in 175 Jahren

Doch nicht nur die massive Zunahme der zurückgelegten Strecken, sondern auch höheres Körpergewicht der Menschen trägt zu der gesteigerten Bewegung der menschlichen Biomasse bei: "Wir schätzen anhand der Literatur, dass Menschen heute im Durchschnitt zirka 30 Prozent mehr wiegen als 1850", so Wiedenhofer. Währenddessen wurde die Biomasse in den Ozeanen aufgrund jahrzehntelang unkontrollierten Walfangs und intensiver Überfischung drastisch reduziert, so die Forscher: Deswegen ging die Biomasse-Bewegung aller Meerestiere insgesamt um 60 Prozent zurück.

Um die Gesamtbewegung der verschiedenen Tierarten inklusive Menschen erstmals direkt vergleichen zu können, multiplizierten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter die Gesamtbiomasse, also das Gewicht aller Individuen einer Art, mit der Strecke, die sie innerhalb eines Jahres zurücklegen.

Biomassebewegung der Menschen zu Fuß sechsmal mehr als Land-Wildtiere

Sie präsentieren in der Fachpublikation auch viele andere Vergleiche, um das exorbitante Ausmaß der menschlichen Biomassebewegung im Vergleich zu den anderen Tieren zu unterstreichen: Zu Fuß ist die Biomassebewegung der Menschen sechsmal größer als jene aller wildlebenden Landtiere, heißt es. Mit dem Flugzeug übertrifft die Mobilität menschlicher Biomasse jene aller fliegenden Wildtiere um das Zehnfache. Die Gesamtbewegung der weltweit rund 1,3 Milliarden Autos entspricht der Biomassebewegung aller Land- und Meerestiere zusammen. Die jährliche Wanderung von über einer Million Gnus, Gazellen und Zebras in der Serengeti ist eine Biomassenbewegung, die mit großen Menschenansammlungen und damit verbundenen Bewegungen wie der Fußballweltmeisterschaft oder dem Hadsch (der islamischen Pilgerfahrt nach Mekka) vergleichbar wäre.

Auch die Biomasse der Menschen und ihrer Nutztiere hat von 1850 bis heute im Vergleich zu wildlebenden Säugetieren zu Lande und zu Wasser massiv zugenommen, heißt es in einer weiteren Studie eines Forscherteams vom Weizmann Institute im Fachblatt "Nature Communications". Damals war das Verhältnis fifty-fifty, beide hatten jeweils rund 200 Megatonnen (Millionen Tonnen). Aktuell belasten Menschen und Nutztiere die Erde mit 1.100 Megatonnen, die von ihnen stark dezimierten Wildtiere mit 60 Megatonnen. Das sind 95 Prozent gegenüber fünf.