Muren entstehen, wenn ein steiler Hang aus wenig verfestigtem Material mit Wasser "übersättigt" ist, so Glade: "Dann reichen die Kräfte auf einmal nicht mehr aus, die es bisher am Hang gehalten haben". Geröll, Schutt und Erdreich geraten durch die Schwerkraft spontan in Bewegung. "Eine typische Mure hat einen Feststoffanteil von 50 bis 70 Prozent, und die restlichen 30 bis 50 Prozent sind Wasser, erklärte er: Es gibt sogenannte Gerinne-Muren, die im Bett eines Wildbaches abgehen, und Hangmuren, die keinem klar definierten Weg folgen.
Menschen müssen mit noch nicht erlebten Muren-Dimensionen rechnen
Wie bei Überschwemmungen gibt es Muren in unterschiedlichen Größenordnungen, die bisher im Schnitt zum Beispiel alle hundert, fünfhundert oder tausend Jahre aufgetreten sind, so der Experte. Durch die Klimakrise werden sich diese Zeiträume wohl deutlich verkürzen. "Somit müssen die Menschen mit Ereignissen in Stärken und Dimensionen rechnen, die man in den vergangenen Jahren so nicht erlebt hat", erklärte Glade: "Das stellt natürlich alle Akteure, also unter anderem die Anwohner, Behörden, geologischen Dienste und Frühwarnzentren vor große Herausforderungen."
In Österreich ist durch die frühere Vergletscherung der Alpen sehr viel verfügbares Sediment-Material (Ablagerungsmaterial, Anm.) für Muren in den Hanglagen, sagte der Forscher: "In anderen Regionen ist das nicht so, dort werden auch durch verstärkte Extremniederschläge keine größeren Muren entstehen". Geröll und Geschiebe können hierzulande also abgehen, bis die Hänge quasi vom Sediment leer geräumt sind. "Dieser Zustand ist freilich noch nicht erreicht worden", so Glade: "Wir befinden uns also eher am Anfang von Entwicklungen, die die nächsten Jahre und Jahrzehnte so weitergehen werden."
Raumplanung und Schutzbauwerke müssen überprüft und verbessert werden
Demnach müsse man sich "ganz aktiv und konkret damit auseinandersetzen", mit der Gefahr umzugehen. Dazu sollte man etwa die Prozesse wissenschaftlich besser erforschen, die zur Entstehung von Muren führen, und zwecks Prävention die Raumplanung überprüfen, um sie gegebenenfalls zu revidieren. "Auch bei den technischen Schutzwerken gilt es zu schauen, ob die Dimensionierungen noch ausreichend sind für die Dinge, die wir in der Zukunft erwarten können", erklärte Glade.