Rund 150 Knochenfragmente aus den archäologischen Schichten aus dem "Starosele"-Felsunterschlupf haben die Forschenden um die Studien-Erstautorin Emily M. Pigott und Tom Higham vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien mit einem modernen Hochdurchsatzverfahren zur Spezies-Bestimmung untersucht, wie die Uni Wien in einer Aussendung mitteilte. Die Stücke waren zu klein, um sie alleine aufgrund ihrer Beschaffenheit Tieren oder Menschen zuzuordnen.
Neue Einblicke im Erbgut von "Star 1"
Die Analyse ergab, dass rund 93 Prozent der Überreste von Pferden und Hirschen stammten. Neben wenigen Knochenstücken von Mammuts und Wölfen konnte zur Überraschung der Wissenschafter auch ein Neandertaler-Knochenstück nachgewiesen werden, das sie "Star 1" nannten. Es stammt vermutlich von einem Oberschenkelknochen und laut Radiocarbon-Datierung aus dem Zeitraum, in dem moderne Menschen und Neandertaler in Eurasien aufeinandertrafen und letztere in der Folge verschwanden, also vor rund 45.000 Jahren. Gerade aus dieser Epoche gebe es nur sehr wenige fossile menschliche Zeugnisse, so Pigott.
Die genetischen Untersuchungen unter der Leitung der Uni Wien-Forscher Konstantina Cheshmedzhieva und Martin Kuhlwilm weisen darauf hin, dass das Individuum mit Neandertalern aus der sibirischen Altai-Region verwandt war. Diese Fundstelle befindet sich allerdings rund 3.000 Kilometer weit östlich von der Krim entfernt in Zentralasien. Überdies fanden sich Erbgut-Übereinstimmungen mit Neandertalern, die weit im Westen im heutigen Kroatien gelebt haben, berichtet das Team.
Krim-Halbinsel als einstige Drehscheibe für Wanderungen
Diese Erkenntnis unterstreiche die Ansicht, dass Vertreter von "Homo neanderthalensis" vor allem in den klimatisch günstigeren Epochen zwischen den Eiszeiten offenbar über die weitläufigen eurasischen Steppen verteilt gelebt haben. Die Krim-Halbinsel könnte hier als eine Art Drehscheibe fungiert haben, vermuten die Wiener Forschenden. Die genetischen Verbindungen interpretieren sie dahingehend, dass diese Gruppen einst weite Strecken zurückgelegt haben.
Higham geht davon aus, dass mit dem in der Untersuchung angewendeten Forschungsansatz noch viele weitere kleine Knochenfragmente von Frühmenschen gefunden werden können, "die uns tiefgreifende Informationen über unsere evolutionäre Vergangenheit liefern werden". Alleine in den vergangenen Jahren habe sich unser Verständnis über die Neandertaler sehr stark verändert: "Unsere neue Studie bestätigt nun, dass sie große Entfernungen überwinden konnten. Jahrzehntelang dachten wir eigentlich, dass dazu nahezu ausschließlich unsere Spezies fähig war", wird Higham zitiert.
(S E R V I C E - https://doi.org/10.1073/pnas.2518974122)
