SN.AT / Panorama / Wissen

Neue Studie: Cannabis-Arznei lindert chronischen Rückenschmerz

Einer in Deutschland und Österreich durchgeführten Untersuchung zufolge kann ein Cannabis-Extrakt namens "VER-01" Linderung bei von chronischen Rückenschmerzen betroffenen Menschen herbeiführen.

Im Fachjournal "Nature Medicine" berichtet das Team mit Beteiligung aus Wien über die Ergebnisse seiner klinischen Studie mit 820 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Der vom deutschen Pharmaunternehmen Vertanical entwickelte Wirkstoff könnte die Behandlung etwas verbessern, so Experten.

Die Arznei auf Cannabis-sativa-Basis wirke nicht psychoaktiv - macht also nicht "high". Im Zuge der Studie habe man auch keine Anzeichen darauf gefunden, dass die Einnahme zu suchtähnlichen Zuständen, zum Wunsch nach dem Erhöhen der Dosis bzw. in Richtung Abhängigkeit führt. Letzteres ist etwa ein sehr großes Problem beim Einsatz von opioidhaltigen Schmerzmitteln. Neben diesen gibt es auch noch die Möglichkeit der Behandlung chronischer Rückenschmerzen im unteren Rücken mit nicht-opioidhaltigen Schmerzmitteln, sogenannten nichtsteroidalen Antirheumatika. Die klinische Studie bezog sich auf Versuchspersonen, bei denen sich mit letzteren Medikamenten keine zufriedenstellende Verbesserung des Zustandes einstellte.

Weit verbreitetes Volksleiden

An chronischen Rückenschmerzen leiden laut Angaben der Autoren um Erstautor Matthias Karst von der Medizinischen Hochschule Hannover weltweit rund 500 Millionen Menschen. Davon spricht man, wenn die Probleme über drei Monate hinweg anhalten. Vielen Menschen kostet dies die Arbeitsfähigkeit, stört den Schlaf und beeinträchtigt den Bewegungsapparat, schreiben die Wissenschafter in der Arbeit, an der auch Sabine Sator von der Medizinischen Universität Wien beteiligt war. Die Wiener "Klinische Abteilung für Schmerzmedizin" ist laufend in Studien aus dem Themenkreis eingebunden, erklärte Sator der APA.

Bei der rund 400-köpfigen Gruppe der Patienten, die das Präparat und kein Placebo erhalten hat, reduzierte sich im Zusammenhang mit der Einnahme der selbstberichtete empfundene Schmerz um knapp zwei Punkte auf der zehnteiligen Skala nach zwölf Wochen. Gegenüber der Placebo-Gruppe betrug die Schmerzreduktion rund 0,5 Punkte. Im Rahmen der Tests ließen die Forschenden die Behandlung auch über die ersten drei Monate hinaus weiterlaufen. Dann wussten allerdings alle Teilnehmenden, dass sie VER-01 einnahmen. In dieser Zeitspanne ging der Schmerz im Schnitt um weitere 1,1 Punkte zurück.

Vorsichtige Einordnung seitens Expertinnen

Ulrike Bingel vom Universitätsklinikum Essen bewertet den Unterschied von "nur 0,5 Punkte auf einer Skala von 0 bis 10" zwischen der Placebo- und der Gruppe, die den Wirkstoff in der ersten Testphase erhalten hat, eher vorsichtig: "Ein solcher Unterschied wird allerdings entsprechend internationaler Konsensusgruppen nicht als klinisch relevant betrachtet." Man müsse sich aber genau ansehen, in welchen Untergruppen von Schmerzpatienten höhere Effekte erzielt wurden. Für Bingel ist die Studie "definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von chronischen Rückenschmerzen leitet sie aus meiner Sicht aber nicht ein", so die Expertin gegenüber dem deutschen Science Media Center (SMC).

Etwas anders sieht dies Andrea Hohmann von der Indiana University Bloomington (USA): Blicke man auf die große Anzahl weltweit Betroffener könnten die neuen Beobachtungen als durchaus relevant angesehen werden. Interessant sei in dem Zusammenhang auch, dass es bisher nur wenige größere Wirkungsstudien mit Cannabisextrakten gegeben hat. Allerdings wiesen beide nicht in die Studie involvierten, vom SMC befragten Forscherinnen darauf hin, dass die Cannabis-Extrakt-Einnahme mehrfach auch von Nebenwirkungen wie Schwindel, Schläfrigkeit und Übelkeit begleitet war.