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Post Covid und ME/CFS: Aktionsplan zur besseren Versorgung von Betroffenen

Spezialisierte Behandlungseinrichtungen in ganz Österreich, mehr Forschung, Verbesserungen bei den Begutachtungen und bei der sozialen Absicherung: Das sind einige der 50 Empfehlungen im "Aktionsplan zu postakuten Infektionssyndromen", den das Gesundheitsministerium am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien präsentierte.

„Der Leidensdruck für viele Betroffene ist groß“, sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Dienstag (im Archivbild).
„Der Leidensdruck für viele Betroffene ist groß“, sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Dienstag (im Archivbild).

Der Aktionsplan wurde auf Empfehlung des Obersten Sanitätsrats vom Gesundheitsministerium gemeinsam mit 61 Fachleuten erarbeitet. Ziel sei es, die Versorgung von Menschen zu verbessern, die von postviralen Syndromen wie Post oder Long Covid oder ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) betroffen sind. "Der Leidensdruck für viele Betroffene ist groß", erklärte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Mit dem Aktionsplan lege man eine Strategie vor, die Lebenssituation von Betroffenen Schritt für Schritt zu verbessern. Die gemeinsame Umsetzung des Aktionsplans startet demnach im Dezember. Postakute Infektionssyndrome (PAIS) seien im Zusammenhang mit einer Reihe verschiedener Erreger bekannt, darunter Viren wie SARS-CoV-2, Influenza, EBV und Enteroviren sowie nicht virale Erreger, heißt es im Aktionsplan. Betroffen seien Erwachsene, aber auch Kinder und Jugendliche. PAIS stellten diese wie auch pflegende Angehörige und das Gesundheitssystem vor erhebliche Herausforderungen. Wobei ME/CFS besonders erwähnt wird, "da diese Multisystemerkrankung spezielle Anforderungen für die Versorgung Betroffener mit sich bringt", heißt es in dem Papier.

80.000 Menschen allein von schwerster Form betroffen


Rund 80.000 Menschen in Österreich leiden Schätzungen zufolge allein an der schwersten Form von gesundheitlichen Folgen einer Infektionskrankheit wie ME/CFS. Das Krankheitsbild solcher postviralen Syndrome sei individuell und damit sehr unterschiedlich. Es reiche von leichten Einschränkungen bis zur totalen Bettlägerigkeit. Eine einheitliche Definition gibt es bisher nicht, auch das soll mit dem Aktionsplan geändert werden.

"Essenziell" sei eine "eingehende Beratung" der Patientinnen und Patienten bei postakuten Infektionssyndromen (PAIS), erklären die Autoren. Dies bedürfe "angemessener Zeitressourcen", was sich auch im Honorar- und Leistungskatalog entsprechend abbilden müsse. Derzeit seien die Tarife für bestimmte notwendige Tests "zu gering angesetzt", dies erschwere Diagnostik, Beratung und Versorgung; wichtige Untersuchungen würden nicht honoriert. Auch Rauch wies darauf hin, dass die Erstellung der Diagnose ein "komplexer Vorgang" sei.

Zudem soll es eine Verbesserung der Datenlage geben, um eine Diagnosecodierung zu schaffen, mit der PAIS erfasst werden können und eine internationale Vergleichbarkeit ermöglicht werde. Die Diagnostik sei aufwendig und benötige ein fächerübergreifendes und spezifisches Verständnis seitens der Gesundheitsberufe. "Empfohlene Maßnahmen im Handlungsfeld Prävention und Diagnostik betreffen die Unterstützung von Früherkennung und Differenzialdiagnostik sowie die Abbildung der dafür erforderlichen Verfahren und Maßnahmen im Leistungskatalog", heißt es im Aktionsplan. Zudem bräuchten Betroffene einen niederschwelligen Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung. Der Ausbau von telemedizinischer Versorgung sei essenziell. Empfohlen wird auch der "Aufbau dezentraler transdisziplinärer und multiprofessioneller Anlaufstellen und spezialisierter Behandlungseinrichtungen, angebunden an ein Forschungszentrum (Nationales Referenzzentrum), sowie die Erstellung eines Versorgungspfads".

Soziale Absicherung verbessern

Auch Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Absicherung von Betroffenen sind enthalten. So sollen bei der Einstufung von Betroffenen für das Pflegegeld und den Grad der Behinderung mehr Gutachterinnen und Gutachter mit Expertise zur Verfügung stehen. Auch externe Gutachten sollen stärker herangezogen werden. Die Fachleute empfehlen auch einen kostenlosen Zugang zu bestimmten Gesundheitsdienstleistungen, die für die Behandlung von Menschen mit postviralen Syndromen wichtig sind, und Maßnahmen zur Arbeitsplatzanpassung. Hingewiesen wird in dem Papier auch darauf, dass die Begutachtungen für Betroffene "ressourcenschonend" und "unter Wahrung der Zumutbarkeit" vonstattengehen sollten.


Zudem empfiehlt der Aktionsplan Aus- und Weiterbildungen, Möglichkeiten zum Wissensaustausch und Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Systempartnern. Das sei eine der Aufgaben des Nationalen Referenzzentrums für postvirale Syndrome, das seit September an der Medizinischen Universität Wien angesiedelt ist. Zentrale Aufgabe des Zentrums sei die "Aufbereitung und Weitergabe von Wissen", betonte eine der beiden Zentrums-Leiterinnen, Eva Untersmayr-Elsenhuber. Das betreffe alle Gesundheitsberufe, nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sagte sie. Angeboten werden u. a. zielgerichtete Fortbildungen für einzelne Berufsgruppen, aber auch wissenschaftliche Symposien. Auch für Patientinnen und Patienten soll künftig auf einer geplanten Homepage Informationsmaterial abrufbar sein.

Um die Forschung voranzutreiben, wird unter anderem ein bundesweites Register zu Daten von Patientinnen und Patienten mit postviralen Syndromen empfohlen. Auch sollen die transdisziplinäre gesundheitswissenschaftliche Forschung, die Durchführung prospektiver epidemiologischer Studien sowie die Etablierung und Förderung eines österreichweiten PAIS-Registers gefördert werden.

Fokus auch auf Kinder und Jugendliche

Besonders hervorgehoben werden auch die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen, die von derartigen Erkrankungen betroffen sind. Derzeit bestehe keine bundesweite rechtliche Lösung, wie etwa mit der Schulpflicht umgegangen werden soll, wann beispielsweise Hausunterricht gegeben werden kann. Nicht mehr schulpflichtige Jugendliche, die durch die Erkrankung nicht arbeitsfähig sind, würden keine Unterstützung erhalten, "die Familien werden in solchen Fällen alleingelassen", heißt es in dem Bericht.