Jede vierte Frau in Mitteleuropa gehört der Altersgruppe der 45- bis 60-Jährigen an. Über ihre Probleme in den Wechseljahren wird zu wenig informiert. Das Defizit trifft auch einen Teil der Ärzteschaft, hieß es Donnerstagnachmittag zum Auftakt der Praevenire Gesundheitsgespräche in Alpbach in Tirol. Von Beschwerden betroffene Frauen würden oft im Verborgenen leiden, Hilfe zu selten angeboten.
Die Veranstaltungsreihe der Praevenire Initiative (4. bis 7. Juli) widmet sich zum elften Mal großen Themenkomplexen und Problemen im Gesundheitswesen. Mit "Frauengesundheit in der Lebensmitte" wurde dabei am Donnerstag ein Gebiet diskutiert, das in den vergangenen 30 Jahren in der Öffentlichkeit buchstäblich eine Berg- und Talfahrt absolviert hat. Im seither längst überkommenen Gedankengut des "alles Machbaren" wurde Frauen in den Wechseljahren und in der Menopause oft vermittelt, medikamentöse Eingriffe könnten quasi ewige Jugend, gar Verjüngung und Beseitigung aller Symptome des einsetzenden Hormonmangels erzielen. Die Alarmglocken schrillten, als Studien ein erhöhtes Brustkrebsrisiko bei künstlichem Hormonersatz zeigten. Das Pendel schlug in die Gegenrichtung aus.
Doch die Probleme bleiben. Mit der demografischen Entwicklung wird der Anteil der Frauen in den Wechseljahren und in der Menopause immer größer. Veronika Pelikan, die mit "Wechselweise" eine evidenzbasierte Informationsplattform (www.wechselweise.net) betreibt: "Im Jahr 1900 sind die Frauen nicht einmal 50 Jahre alt geworden. Jetzt werden sie 80 Jahre, das sind 30 Jahre in der Menopause."
Die Abnahme und schließlich das Aussetzen der körpereigenen Östrogen-Produktion ziehen sich über viele Jahre, bei schleichendem Beginn und oft unspezifischen, stark belastenden Symptomen. Veronika Pelikan: "Es gibt britische Studien, wonach jede dritte Frau im Alter um die 50 Jahre deshalb dem Arbeitsmarkt verloren geht. Etwa ein Drittel der Frauen spürt so gut wie nichts, ein Drittel kommt so einigermaßen zurecht, ein Drittel der Frauen hat starke Symptome mit 30 Schweißausbrüchen am Tag, Herzrasen, Schlaflosigkeit und Gewichtszunahme. Das Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen erhöht sich."
Doch obwohl mit den Frauen um die Lebensmitte eine enorm große Bevölkerungsgruppe in der einen oder anderen Weise von solchen gesundheitlichen Problemen betroffen ist, scheint es an Bewusstsein und an Informationen zu fehlen. Die Aktivistin: "Es mangelt an Wissen, es mangelt an ärztlicher Ausbildung und Forschung." Es existiere auch noch immer ein falsches Bild von der Hormonersatztherapie.
Der Wiener Gynäkologe Wilhelm Marhold, ehemals Chef des Wiener Krankenanstaltenverbundes, zitierte mehrere "Mythen" rund um Wechseljahre und Menopause, mit denen aufzuräumen sei. Zunächst seien nicht die klassischen Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Haarausfall die ersten Anzeichen für den Eintritt in die Wechseljahre. Am Beginn stünden zumeist unerklärliche Gewichtszunahme Kreuzschmerzen und Schlafstörungen. Diesen Problemen würde die Medizin viel zu oft mit belastenden Diäten, Interventionen von Orthopäden, Antidepressiva und Schlafmitteln begegnen - und scheitern.
"Auf Hormone nimmt man zu - falsch. Der Mangel an Hormonen führt in den Wechseljahren zu einer atypischen Fettverteilung", sagte Marhold zu einem weiteren "Mythos". Und schließlich sei es falsch, medikamentöse Interventionen, vor allem eine Hormonersatztherapie generell als krank machend zu verteufeln. "Es fehlt ein 'Hauch' an Hormonen. Die individuelle Hormontherapie ist die Kunst. Man kann aus einer 50-Jährigen keine 18-Jährige machen. Die niedrigste Dosis ist bereits wirksam", sagte der Gynäkologe. Es gebe auch lokal anwendbare Präparate, die zum Beispiel Haut- und Schleimhauttrockenheit beseitigten. Immer sollte ein solcher Hormonersatz in der niedrigst möglichen Dosierung und so kurz wie möglich erfolgen. Regelmäßige Auslassversuche würden dann zeigen, ob eine Substitution noch notwendig sei.