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Raucherentwöhnung ohne Medikamente ist effektiv

Eine neue Studie der Universität für Weiterbildung Krems am Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation kommt zu einem überraschenden Ergebnis.

Im Durchschnitt rauchen in Europa rund 24 Prozent der Menschen.
Im Durchschnitt rauchen in Europa rund 24 Prozent der Menschen.

Pharmakologische Raucherentwöhnungsprogramme sind hinsichtlich ihrer Kostenwirksamkeit gut erforscht. Dieses Wissen fehlte bisher zu nicht medikamentösen Maßnahmen. Diese Forschungslücke hat nun eine Studie der Universität für Weiterbildung Krems am Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation geschlossen – mit überraschendem Ergebnis: Interventionen, die auf Beratung und Bewusstseinsbildung setzen, zeigen eine überlegene Kostenwirksamkeit und verbessern die Lebensqualität.

Wenngleich die Zahl von Raucherinnen und Rauchern seit den 1990er-Jahren kontinuierlich gesunken ist, liegt laut einer Eurobarometer-Befragung die Zahl derer, die regelmäßig zu Rauchware greifen, aktuell immer noch bei 24 Prozent als Durchschnittswert für Europa. Länder mit den meisten Raucher_innen sind nach dieser Befragung in Osteuropa zu finden, an der Spitze liegt Bulgarien mit 37 Prozent. Raucherentwöhnungsprogramme im Rahmen der Gesundheitspolitik sind daher in vielen europäischen Ländern weit verbreitet, wobei die Kostenwirksamkeit insbesondere von pharmakologischen Maßnahmen, also des Einsatzes von Medikamenten zur Raucherentwöhnung, gut erforscht ist. Wie das Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation herausgefunden hat, gab es bisher kaum Wissen zur Kosteneffektivität nicht medikamentöser Maßnahmen wie individueller Beratungen. Mithilfe einer Metastudie, wofür 9541 Abstracts wissenschaftlicher Veröffentlichungen gescreent wurden, konnte nun erstmals auf Grundlage evidenzbasierter Daten diese Lücke geschlossen und das Bild zur Wirksamkeit von Raucherentwöhnungsprogrammen komplettiert werden.

Europäische Vergleichsdaten für Gesundheitspolitik

Das Ergebnis überrascht: „Wir konnten anhand unserer Metastudie zeigen, dass nicht medikamentöse Maßnahmen wie Beratung und Aufklärung nicht nur wirksam, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind. Die Studie liefert konkrete Zahlen und europäische Vergleichsdaten, die in der aktuellen Diskussion um Prävention und Gesundheitsausgaben von hoher Relevanz sind“, resümiert Studienautor Alexander Braun. Er leitet das Zentrum für evidenzbasierte Versorgungsforschung, eine Kooperation zwischen dem Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation und dem Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds. Besonders interessant sei, so Braun weiter, dass digitale Interventionen nur dann kosteneffektiv seien, wenn sie mit persönlicher Beratung kombiniert würden. Dies sei ein besonders interessanter Aspekt für die Debatte um digitale Gesundheitslösungen, so Braun. Mit der Metastudie untersuchte Forschungen deuten darauf hin, dass die Kombination von digitalen Tools mit persönlicher Beratung die effektivste Strategie zur Steigerung der Abstinenzraten in größeren Gruppen ist.

Gewinn für Gesundheit und Kassen

Die mit der Studie untersuchten nicht pharmakologischen Interventionen umfassten Face-to-face-Beratung, digitale und telefonische Beratung, Kostenübernahme durch Krankenkassen und Bewusstseinsbildung. 76,9 Prozent der analysierten ICERs (Kosten-Effektivitäts-Verhältnisse) zeigen eine überlegene Kostenwirksamkeit von Maßnahmen, die ohne Medikamenteneinsatz auskommen. In neun der gescreenten Studien waren die Interventionen sogar dominant – d. h. sie verbesserten die Lebensqualität und senkten gleichzeitig die Kosten.

Die durchschnittlich gewonnenen „Qualitätsbereinigten Lebensjahre“, kurz QALYs, lagen bei 0,02 pro Person, fast alle ICERs lagen unter dem europäischen Schwellenwert von 25.000 Euro pro Lebensjahr. QALY steht für gesundes Lebensjahr und ist ein Maß, das in der Gesundheitsökonomie und medizinischen Forschung verwendet wird, um den Nutzen medizinischer Maßnahmen zu bewerten.

Forschungsbedarf Osteuropa

Weiteren Forschungsbedarf ortet Braun für Osteuropa, wo die Raucherquote hoch ist. Dort, so Braun, lägen als Ergebnis der Studie nur wenige Daten zu Kosten und Wirksamkeit vor. Zukünftige Forschungsarbeiten sollten diesen Regionen daher Vorrang einräumen, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Interventionen zur Raucherentwöhnung in verschiedenen Gesundheitssystemen zu bewerten. Die Studie wurde im „European Journal of Health Economics“ publiziert und vom Dachverband der Sozialversicherungsträger finanziert.

Braun, A., Hyll, W. & Krczal, E. Breaking the habit: a systematic review of the cost-effectiveness of non-pharmacological and combined interventions for smoking cessation in Europe. Eur J Health Econ (2025). https://doi.org/10.1007/s10198-025-01855-7