Bereits Anfang dieses Jahres hat die Gletscherforscherin Francesca Pellicciotti vom ISTA in Klosterneuburg (NÖ) gemeinsam mit Kollegen aus der Schweiz im Fachjournal „Science“ darauf aufmerksam gemacht, dass „Megadürren“ genannte mehrjährige Trockenperioden in den vergangenen 40 Jahren auf dem Vormarsch sind, diese tendenziell noch trockener, länger und heißer ausfallen und immer größere Landflächen betreffen als noch 1980.
Klimamodelle versagten
Doch eine der schwersten und ausgedehntesten Dürren, die jemals in Südamerika verzeichnet wurde, sei in keinem Klimamodell vorhergesagt worden. Die seit 2010 anhaltende Trockenperiode habe schwerwiegende Auswirkungen auf die zentralen Regionen Chiles und Westargentiniens, wo über zwanzig Millionen Menschen leben, die sehr stark vom Schmelzwasser aus der Andenkordillere abhängen, schreiben die Forscherinnen und Forscher in ihrer Arbeit.
Pellicciotti hat gemeinsam mit den beiden chilenischen Geowissenschaftern Álvaro Ayala und Eduardo Muñoz-Castro von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL (Schweiz) und weiteren Forscherinnen und Forschern ein auf der aktuellen Megadürre in Chile basierendes Zukunftsszenario modelliert und dieses im Fachjournal „Communications Earth & Environment“ publiziert. In dessen Mittelpunkt stehen die Gletscher in den südlichen Anden.
Schmelzwasser federt Dürre noch ab
Diese würden derzeit die langjährige Trockenperiode mit ihrem Schmelzwasser abfedern. Speziell in der Zentralregion des sich über 4.300 Kilometer in Nord-Südrichtung erstreckenden Landes mit einem halbtrockenen (semiariden) Klima sei man auf Schnee für die Wasserversorgung angewiesen. Bleibt dieser aus, kommt das Schmelzwasser der Gletscher zu Hilfe. Der gesamte Gletscherabfluss habe sich in den vergangenen Jahren kaum verändert, was allerdings zu einem Verlust von zehn Prozent des gesamten Gletschervolumens geführt hat.
Im neuen Modell des Forschungsteams stehen die 100 größten der insgesamt rund 15.000 Gletscher in den südlichen Anden in Zentralchile und Argentinien sowie saisonale Niederschlagsmengen im Mittelpunkt. Indem sie die zehn Jahre vor Beginn der Trockenperiode und zehn Jahre Megadürre modellierten, bekamen sie eine „klare Vorstellung vom Schicksal der Gletscher, wie viel Masse sie verlieren und was mit dem Wasser geschieht“, so Ayala.
„Schwerer Schlag“ für Ökosysteme
Auf Basis dieser Daten wurde eine ähnliche Megadürre am Ende des 21. Jahrhunderts simuliert, wenn die Gletscher deutlich kleiner sein werden als heute. In einem solchen Szenario würden die 100 größten Gletscher der südlichen Anden in den trockenen Sommermonaten nur noch die Hälfte des heutigen Schmelzwassers liefern, die kleineren Gletscher seien bis dahin wahrscheinlich verschwunden. Das wäre ein „schwerer Schlag“ für die Ökosysteme des Landes.
Der Norden Chiles mit der Atacama-Wüste zeige „wahrscheinlich schon heute, wie Zentralchile in Zukunft aussehen könnte“, erklärte Ayala und meint, dass es sich in Europa ähnlich verhält: „Man kann sich die Berge im Mittelmeerraum ansehen, um die Zukunft der Alpen zu verstehen.“
Koordinierte globale Klimapolitik notwendig
Auch wenn die detaillierten Mechanismen, die zur Entstehung von lang anhaltenden Trockenperioden führen, noch untersucht werden, warnen viele Wissenschafterinnen und Wissenschafter dem ISTA zufolge davor, dass Megadürren zur neuen Normalität geworden sind. Das Forschungsteam erachtet daher eine koordinierte globale Klimapolitik für notwendig, um wirksame Strategien für das Wassermanagement zu entwickeln. Dabei müssten laut Pellicciotti auch Megadürren berücksichtigt werden, um Szenarien für konkurrierende Wassernutzungen und Zuteilungsprogramme zu modellieren.
