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Warum die Erde in der Türkei so oft bebt

Immer wieder ist die Türkei von schweren Erdbeben betroffen. Forschende erklären, was es mit Nachbeben auf sich hat und ob der Klimawandel Einfluss haben könnte.

Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion.
Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion.

Ein großer Teil der türkischen Bevölkerung lebt in ständiger Erdbebengefahr. Denn mehrere große Kontinentalplatten treffen in der Türkei aufeinander: die Afrikanische, die Arabische und die Eurasische. "Die Afrikanische und die Arabische Platte bewegen sich nördlich, die Eurasische Platte südlich", erklärt Seismologin Yan Jia von der GeoSphere Austria (ehemals ZAMG). Mit einer Geschwindigkeit von 1,3 bis 2 Zentimetern pro Jahr bewegen sich die Platten also in unterschiedliche Richtungen. Wird durch die Reibung der Platten der Druck zu groß oder verkeilen sich zwei Platten ineinander, kommt es zu einem Bruch. "Dabei entstehen gewaltige Spannungen", erklärt Seismologin Jia. Wird der Druck zu groß, entladen sich diese Spannungen mit einem Ruck - die Erde bebt.

Stark gefährdet seien vor allem die Gegenden nahe Verwerfungen, also tektonischer Bruchstellen im Gestein, sagt Götz Bokelmann, Professor für Geophysik an der Uni Wien. "Eine der bekanntesten Verwerfungen in diesem Gebiet ist die Nordanatolische", erklärt er.

Nachbeben in der Südosttürkei etwa 100 Kilometer entfernt

Entlang dieser Verwerfungszone lag das Epizentrum der Beben. In der Nacht auf Montag war es um 2.17 Uhr MEZ zu einem Beben mit einer Stärke von 7,8 (nach anderen Angaben 7,7) gekommen. Der türkischen Katastrophenschutzbehörde Afad zufolge lag das Epizentrum in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze.

Dutzende Nachbeben folgten. Eines davon erschütterte mit einer Magnitude von 7,5 die Südosttürkei. Das Epizentrum des Nachbebens soll etwa 100 Kilometer nordöstlich des Hauptbebens gelegen sein.

Nachbeben "ungewöhnlich stark"

Meist seien diese Nachbeben nicht so heftig, sagt Seismologin Jia. Das bestätigt auch Götz Bokelmann von der Uni Wien. "Ein Nachbeben mit einer Stärke von 7,5 ist ungewöhnlich stark", sagt er. Eine mögliche Erklärung dafür könnte das Zusammentreffen mehrerer Verwerfungen in der Gegend sein. "Generell sind Nachbeben Spannungsverlagerungen, die nach einem großen Erdbeben auftreten." Die Gegend versuche, wieder in ein Gleichgewicht zu kommen. "Das wird aber noch Monate dauern", sagt Bokelmann. Es können also zahlreiche Nachbeben folgen.

Werden Erdbeben künftig häufiger werden?

Erdbeben zählen zu den häufigsten Naturkatastrophen der Erde. Gibt es angesichts des Klimawandels Anzeichen, dass es künftig zu mehr Erdbeben kommen könnte? Bokelmann verneint: "Die Zahl der Erdbeben fluktuiert generell", sagt er. Es gebe Zeiten, in denen mehr Erdbeben aufträten und solche, in denen es weniger seien. Das habe vor allem damit zu tun, dass ein Beben das nächste auslöse und es zu ganzen "Erdbebenserien" kommen könne. "Langfristig gibt es aber keinen Grund anzunehmen, dass die Zahl an Erdbeben aufgrund des Klimawandels zu- oder abnimmt."

Im Jahr 1999 starben mehr als 17.000 Menschen bei einem Beben

Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in der Millionenstadt Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17.000 Menschen das Leben. Für die größte türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls starke Beben.