Bald dürfte es mit dem Impfen gegen Corona losgehen. Hersteller haben bereits für zwei Präparate Zulassungsanträge in der EU gestellt, eine Freigabe könnte es binnen Wochen geben. Angesichts des rasanten Entwicklungstempos bei den Vakzinen stellen sich Fragen: Sind diese Impfstoffe sicher? Sind mögliche Nebenwirkungen gut genug untersucht? Ist es nicht vernünftiger, eine Coronainfektion in Kauf zu nehmen, als sich den Risiken eines neuen Impfstoffs auszusetzen? Unberechtigt sind diese Fragen sicher nicht. Zumal es sich bei den beiden Impfstoffkandidaten - einer von der US-Firma Moderna und einer von dem Mainzer Unternehmen Biontech in Zusammenarbeit mit dem US-Pharmariesen Pfizer - um sogenannte mRNA-Impfstoffe handelt, die auf einer Impfstofftechnologie beruhen, die bis jetzt nur in der Krebsbehandlung eingesetzt wurde. Sie enthalten keine abgeschwächten oder abgetöteten Viren, sondern lediglich eine Bauanleitung für einen Bestandteil des Covid-19-Erregers. Erste Daten der fortgeschrittenen klinischen Prüfung legen nahe, dass die Impfstoffe eine hohe Wirksamkeit haben und im Allgemeinen gut vertragen werden. Was bisher fehlt, sind Informationen über seltene, möglicherweise auch schwere Nebenwirkungen, da diese erst nach Impfung vieler Menschen und längerer Beobachtungszeit offensichtlich werden. "Es gibt deshalb ein Restrisiko", sagt Christian Bogdan, Direktor des Instituts für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der Uniklinik Erlangen. "Wie hoch das ist, muss in den kommenden Monaten und Jahren geprüft werden." Um seltene Nebenwirkungen zu erfassen, sei es üblich, klinische Studien auch nach der Zulassung fortzuführen. Grundsätzlich basiere die Entscheidung für oder gegen eine Impfung immer auf einer Nutzen-Risiko-Abwägung, so der Experte, der auch Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) ist. Er macht folgende Beispielrechnung auf: Wenn ein alter Mensch bei einer Coronainfektion mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent stirbt "und gleichzeitig das Risiko, eine schwere Nebenwirkung der Impfung zu bekommen, 1:50.000 oder noch weniger beträgt, würde ich dieses Risiko in Kauf nehmen".
Aber sind nicht gerade die Risikogruppen - also ältere Menschen oder solche mit einer Vorerkrankung - bei einer Impfung besonderen Gefahren ausgesetzt? Alle Risiken könne man in diesem Stadium der Impfstoffentwicklung nicht ausschließen, sagt Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie an der Technischen Universität München (TUM) und am Helmholtz Zentrum München. Allerdings seien bereits einige besondere Patientengruppen in den klinischen Studien berücksichtigt worden. Das Unternehmen Moderna etwa testete seinen Impfstoff auch an Menschen über 65 Jahren, an solchen mit Diabetes, Übergewicht oder einer Herzerkrankung. Sicherheitsbedenken sind nach Angaben des Unternehmens nicht aufgetreten.
Sorgen, dass die mRNA-Impfstoffe besondere Sicherheitsrisiken mit sich bringen und etwa das menschliche Erbgut verändern, halten Experten für unbegründet. Eine Besonderheit der RNA ist, dass sie chemisch sehr labil ist. "Wenn die mRNA in die Zellen gelangt, wird sie sehr schnell wieder abgebaut", sagt Protzer. Eine nachhaltige Interaktion mit der menschlichen Zelle sei allein aus diesem Grund unwahrscheinlich. Um die Haltbarkeit zu erhöhen, wird die Impf-mRNA in einer Art Schutzhülle verpackt. "Was diese Zusatzstoffe bewirken, müssen wir beobachten", sagt Protzer. "Da fehlen noch Langzeiterfahrungen."