Vor 200 Jahren, im Herbst 1814 trat in Wien ein neun Monate dauernder Kongress von Monarchen und führenden Staatsmännern Europas zusammen, um dem von Frankreichs Kaiser Napoleon aus den Angeln genommenen Kontinent eine neue Friedensordnung und ein dafür geeignetes Fundament zu geben.
Nach dem Westfälischen Frieden von 1648, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, und dem Frieden von Utrecht gegen Ende des Spanischen Erbfolgekrieges war der Wiener Kongress der dritte große Friedenskongress der Neuzeit und in gewissem Sinn das erste "Gipfeltreffen" der Weltgeschichte. Immer wieder aufflammende Kriege Der Wiener Kongress bedeutete das Ende von zwei Jahrzehnten immer wieder aufflammender Kriege, nicht eingehaltener Friedensschlüsse, Truppenaushebungen, Plünderungen, Inflation, Unternehmensbankrotte und anderer Katastrophen.
Napoleons Stern war seit seiner Intervention in Spanien 1808, vor allem aber nach dem katastrophalen Scheitern seines Russlandabenteuers 1812 im Sinken begriffen. Seine Hauptgegner Russland, Preußen und Österreich verbündeten sich und fügten dem "Empereur" in der "Völkerschlacht" von Leipzig vom 16. zum 19. Oktober 1813 eine schwere Niederlage zu.
Doch hatten alle Kriegsführenden bei dieser Schlacht hohe Verluste an Gefallenen, Verwundeten und Gefangenen zu beklagen: Russland knapp 30.000, Preußen über 16.000, Österreich über 14.000 Mann, Franzosen und deren Hilfstruppen 38.000 an Gefallenen und 23.000 Verwundeten, dazu kamen noch etwa 30.000 Kriegsgefangene. Die Alliierten nahmen 36 Generäle gefangen und erbeuteten 300 Geschütze und 900 Munitionswagen. Schlacht von Hanau Napoleon konnte seine Truppen in Ordnung in Richtung Frankreich zurückziehen. Auf deutschem Boden kam es nur noch zu einer einzigen Kampfhandlung - der Schlacht von Hanau (östlich von Frankfurt) am 30./31. Oktober 1813, als Bayern, Österreicher und Russen versuchten, den Franzosen den Weg zum Rhein zu verlegen, die sich aber unter schweren Verlusten dorthin durchkämpfen konnten.
Der Rheinbund napoleonhöriger deutscher Fürsten zerfiel, Napoleons staatliche Schöpfungen wie das Königreich Westfalen und die Großherzogtümer Berg und Frankfurt verschwanden von der Landkarte, in Braunschweig, Hannover, Hessen-Kassel und Oldenburg wurden die angestammten Fürsten wieder in ihre Rechte eingesetzt.
In Italien, dessen Norden und Mitte von österreichischen Soldaten besetzt wurden, gewannen die Alliierten durch den Seitenwechsel des Königs von Neapel, des Napoleon-Schwagers Joaquin Murat, einen Bundesgenossen, der gegen den italienischen Vizekönig, Napoleons Stiefsohn Eugene Beauharnais die Waffen erhob. Sieg gegen Dänemark In Nordeuropa sicherte sich der ehemalige Marschall Napoleons und nunmehrige schwedische Thronanwärter Jean-Baptiste Bernadotte mit einem Sieg gegen Dänemark Schwedens Herrschaft über Norwegen für die nächsten 90 Jahre. In Spanien überquerte der siegreiche britische Marschall Arthur Wellesley, Herzog von Wellington, im Oktober 1813 die Pyrenäen und stand nun auf französischem Boden, sodass dort viele französische Soldaten gebunden waren und Napoleon im Norden fehlten.
Österreichs Außenminister seit 1809, Klemens Wenzel Reichsgraf und (seit 1813) Fürst Metternich-Winneburg wollte einen raschen Frieden, zunächst aber nicht Napoleons Untergang, sondern seine Einbindung in ein ausbalanciertes europäisches Staatensystem. Frankreich sollte für Metternich ein Gegengewicht darstellen gegen ein zu mächtiges Preußen, hinter dem ein noch mächtigeres Russland stand. Großbritannien lehnte ab Da sich der Korse uneinsichtig zeigte, sah Metternich in dem Bourbonen Ludwig XVIII., einem Bruder des 1793 hingerichteten Ludwig XVI., die einzige Alternative zu Napoleon. Diesem waren zunächst die "natürlichen Grenzen" Frankreichs angeboten worden, doch Großbritannien lehnte diese Variante ab, weil Belgien innerhalb dieser Grenzen gelegen wäre und die Briten dieses Land den Niederländern als Entschädigung für Ceylon (das heutige Sri Lanka) und das südafrikanische Kapland geben wollten. Schließlich stimmte Metternich dem britischen Wunsch nach Rückführung der französischen Grenzen auf den Stand von 1792 als Kriegsziel zu, um die Briten für einen baldigen Friedensschluss zu gewinnen.
Und so musste Napoleon auf eigenem Boden geschlagen werden. Ende Dezember 1813 ging die alliierte Hauptarmee über den Rhein, die vom preußischen Marschall Gebhard Leberecht von Blücher befehligte Schlesische Armee folgte kurz darauf. Nach einem Sieg Blüchers über Napoleon am 1. Februar 1814 bei La Rothere musste die Schlesische Armee vier Niederlagen hinnehmen, denen auch zwei Siege Napoleons über die Hauptarmee folgten. Brüchig gewordenes Verhältnis Zwischen 5. und 19. März 1814 fanden in Chatillon-sur-Seine Verhandlungen statt, bei denen die Alliierten ihr wegen des sich abzeichnenden Polnisch-Sächsischen Konfliktes etwas brüchig gewordenes Bündnis wieder konsolidierten. Damals kam bei ihnen die Idee auf, einen umfassenden Friedenskongress abzuhalten, der auf Betreiben Metternichs nach Wien einberufen werden sollte. Wegen des vorgenannten Konfliktes, aber auch, weil Russlands Zar Alexander I. Zeit gewinnen wollte, um im eigenen Land für Ruhe und Ordnung zu sorgen, musste der ursprünglich früher angesetzte Kongress auf Herbst 1814 verschoben werden.
Die bei den Verhandlungen in Chatillon angebotenen Grenzen Frankreichs von 1792 wurden von Napoleon ebenso abgelehnt wie ein von Marschall Karl Philipp von Schwarzenberg, dem eigentlichen Sieger von Leipzig, angebotener Waffenstillstand. Blücher trennte sich von der Hauptarmee und vereinigte sich mit der Nordarmee, die inzwischen die Niederlande und Belgien besetzt hatte. Schwarzenberg schlug Napoleons Truppen bei Bar-sur-Aube, die Schlesische und die Nordarmee Napoleon am 9./10. März bei Laon. Von der Hauptarmee wurde Napoleon am 20./21. März bei Arcis-sur-Aube nochmals geschlagen, worauf er plante, im Rücken des Feindes in Lothringen neue Truppen aufzustellen.
Jetzt beschlossen die Alliierten, mit ihren Truppen auf Paris vorzustoßen, auch weil sie von der französischen Opposition gegen Napoleon, geführt vom bisherigen (und auch künftigen) Außenminister Charles Maurice Talleyrand zur Eile aufgefordert worden waren. Am 31. März zogen die Alliierten in Paris ein. Marschälle verwehrten Gehorsam Dorthin war auch Napoleon geeilt, doch seine Marschälle verwehrten ihm den Gehorsam. Nachdem die Alliierten weitere Verhandlungen mit dem Empereur abgelehnt hatten, erklärte der französische Senat Napoleon des Thrones für verlustig, worauf er am 4. April abdankte.
Der am 30./31. Mai 1814 abgeschlossene (erste) Friede von Paris enthielt für Frankreich günstige Bedingungen: Grenzen von 1792, keine Zahlung von Kriegsentschädigungen oder Besetzung französischen Territoriums, Rückgabe eines Teils der geraubten Kunstschätze (im zweiten Pariser Frieden wurde später die Rückgabe aller Schätze gefordert), Einsetzung von Ludwig XVIII. als französischen König, Zuweisung der Insel Elba als Exil für Napoleon, Übernahme des bisher bourbonisch beherrschten Herzogtums Parma durch Napoleons Gemahlin Marie Louise. Geheimabkommen abgeschlossen Artikel XXXII. des Pariser Friedens bestimmte, dass Einladungen zu einem für Herbst 1814 geplanten Friedenskongress in Wien an "alle auf beiden Seiten in den gegenwärtigen Krieg verwickelten Mächte" ergehen sollten. Ein Geheimabkommen behielt allerdings den vier Mächten der Quadrupelallianz (Russland, Preußen, Österreich, Großbritannien) alle Entscheidungen im Interesse des Mächtegleichgewichts in Europa vor. Sämtliche Verhandlungen auf französischer Seite wurden von Außenminister Talleyrand, dem "gallischen Fuchs", einem der gewieftesten Diplomaten Europas geführt, dem es schließlich gelingen sollte, den Großmachtstatus Frankreichs zu erhalten.
Am 16. Juni 1814 zog Kaiser Franz I. nach längerer Abwesenheit feierlich in Wien ein. Metternich weilte zu dieser Zeit in London, um seinen Kaiser bei den britischen Siegesfeiern über Napoleons Herrschaft zu vertreten. Er war mit Zar Alexander I. und dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. gekommen, wollte aber in London allzu große britische Unterstützung für diese beiden Herrscher verhindern und sein ausgezeichnetes Verhältnis zum britischen Außenminister Robert Stewart Viscount Castlereagh noch weiter stärken. Erst am 19. Juli kehrte Metternich nach Wien zurück, wo er sich dann den Vorbereitungen für den Wiener Kongress widmete, für den sich dann ab Mitte September Monarchen, Staatsmänner und Diplomaten aus ganz Europa einfanden.