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Franz Ferdinands letzte Reise: "Alles schiefgelaufen"

Hoffnungsfroh war Franz Ferdinand nicht, als er sich zu seiner verhängnisvollen Reise nach Sarajevo aufmachte Es folgten fünf Tage mit zahlreichen Pannen. Am Ende stand sein Tod.

Franz Ferdinands letzte Reise: "Alles schiefgelaufen"
Franz Ferdinands letzte Reise: "Alles schiefgelaufen"
Franz Ferdinands letzte Reise: "Alles schiefgelaufen"
Franz Ferdinands letzte Reise: "Alles schiefgelaufen"
Franz Ferdinands letzte Reise: "Alles schiefgelaufen"
Franz Ferdinands letzte Reise: "Alles schiefgelaufen"

"Ich weiß, dass die Kugel für mich schon gegossen ist", soll er vor seiner Abreise am 24. Juni 1914 im böhmischen Schloss Konopiste (Konopischt) gesagt haben. Doch waren die Schüsse von Sarajevo nur das letzte Glied einer Verkettung unglücklicher Umstände, die zu seinem Tod führten.

"Es ist alles schiefgelaufen", sagt der Monarchie-Experte Gerhard Stadler, der sich eingehend mit Franz Ferdinands letzter Reise beschäftigt hat. Zum Jahrestag will er mit einer Reisegruppe auf der Originalroute Franz Ferdinands nach Sarajevo reisen, soweit dies möglich ist. Heute sieben Staatsgrenzen Anders als damals sind heute sieben Staatsgrenzen zu passieren, und große Teile der damaligen Verkehrsverbindungen gibt es nicht mehr. Die Südbahn etwa ist bereits in Ljubljana zu Ende, nicht erst in Triest. Und die Schifffahrtslinien nach Dalmatien gibt es auch nicht mehr. Damals habe die Reise von Wien nach Sarajevo 40 Stunden gedauert - heute brauche man auf dieser Route doppelt so lange.

Auf Franz Ferdinands Reise gab es schon vor Wien die erste Panne. Im Salonwagen des Thronfolgers war ein Rad heiß gelaufen, der Wagen musste ausgetauscht werden. Im zweiten fiel das Licht aus. "Was sagen Sie zur Beleuchtung? Wie in einem Grab?" lautete der sarkastische Kommentar des Habsburgers.

Von Triest ging es dann an Bord der "Viribus unitis", des Flaggschiffes der k. u. k. Marine, weiter entlang der istrischen und dalmatinischen Küste bis zur Mündung der Neretva. Einige Kilometer flussaufwärts auf dem Fluss wurde im heute wie damals verschlafenen Ort Metkovic die Grenze des k. u. k. Reichslandes Bosnien-Herzegowina und die Eisenbahnlinie nach Sarajevo erreicht. Sophie wartete bereits Die malerische Strecke, auf der laut Stadler heute nur noch einmal wöchentlich ein Personenzug verkehrt, brachte Franz Ferdinand in den Kurort Ilidza, rund zehn Kilometer westlich von Sarajevo. Am Nachmittag des 25. Juni traf der hohe Gast im dortigen "Hotel Bosna" ein, empfangen von seiner Gemahlin Sophie. Sie war aus protokollarischen Gründen getrennt mit dem Zug aus Wien über Bosanski Brod angereist. Ein angenehmer Nebeneffekt des Bosnien-Aufenthaltes war nämlich, dass Franz Ferdinand und seine am Wiener Hof wegen ihrer niederen Herkunft geächtete Frau doch auch bei offiziellen Anlässen ihre Zeit gemeinsam verbringen konnten, erläutert Stadler. Der eigentliche Zweck der Reise Der eigentliche Zweck der Reise war freilich ein Manöver der österreichisch-ungarischen Armee, dem Franz Ferdinand persönlich beiwohnen wollte. Seine Anwesenheit hatte keineswegs nur symbolische Bedeutung. Einerseits wollte sich das Militär mit der Übung rund um den Ivan-Sattel südwestlich von Sarajevo für die immer realere Möglichkeit eines Krieges am Balkan rüsten. Andererseits nutzte Franz Ferdinand die Gelegenheit, die militärischen Fähigkeiten des bosnischen Landesverwalters Oskar Potiorek zu testen. Diesen hatte er als Nachfolger für Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf im Auge, mit dem der Thronfolger über Kreuz war. "Die Manöver waren dazu da, um Potiorek zu prüfen", sagt Stadler. Armeeübung stand nicht unter gutem Stern Die Armeeübung stand unter keinem guten Stern. Wegen sintflutartigen Regenfällen versanken die Soldaten im Morast, und die Übung musste am 27. Juni vorzeitig abgebrochen werden. Der Sieger im Ringen zwischen "Roten" und "Blauen" wurde daher am grünen Tisch verkündet. Franz Ferdinand zeigte sich mit dem Verlauf des Manövers zufrieden, und wohl auch mit Potiorek, denn am folgenden Tag wollte er dem Landesverwalter mit einem offiziellen Besuch in Sarajevo die Ehre geben.

Das strahlende Sommerwetter am Vormittag dieses Sonntags täuschte nur kurz darüber hinweg, dass der dramatische Höhepunkt dieser Reise noch bevorstand. Mit einem Sonderzug reiste das Paar um 10.00 Uhr von Ilidza nach Sarajevo, wo es ins Auto umstieg. Bald schon ereignete sich der erste Zwischenfall, einer der sechs entlang der Route postierten Attentäter warf eine Bombe auf den Konvoi, doch explodierte diese hinter dem Wagen des Thronfolgers. Ein Offizier wurde schwer verletzt. Beim anschließenden Empfang im Alten Rathaus zeigte sich der Thronfolger empört darüber, mit Bomben "empfangen" worden zu sein. Kaum Schutz für den Thronfolger Im Zeitalter nach dem 11. September 2001 unverständlich: An eine Verstärkung der Sicherheitsvorkehrungen wurde auch nach dem ersten Anschlag offenbar nicht gedacht. Zwar herrschte wegen des Manövers kein Mangel an Soldaten, doch waren diese nach der "Schlammschlacht" am Ivan-Pass nicht in einem präsentablen Zustand. Auch galten Monarchen damals trotz der zahlreichen Attentate als "sakrosankt", erläutert Stadler. "Der Kaiser ist jeden Tag ohne Schutz die Mariahilfer Straße hinauf- und hinuntergefahren."

Franz Ferdinand wiederum verbat es sein Ehrgefühl, die Reise abzubrechen. "Er hat in dem entscheidenden Moment nicht gesagt: Nein, da mache ich nicht weiter", schildert Stadler. Seine "Charakterstärke" kostete freilich nicht nur ihn das Leben, sondern auch seine geliebte Ehefrau. Sie schlug nämlich seinen Vorschlag, nach dem misslungenen ersten Anschlag doch alleine zum Mittagessen zu fahren, aus. Route wurde geändert Vom Rathaus sollte der Konvoi zunächst zum neuen Landesmuseum weiterfahren, das Franz Ferdinand besuchen sollte. Dieser verfügte jedoch eine Änderung der Route, weil er den am Vormittag verletzten Offizier im Krankenhaus besuchen wollte. Und hier passierte dann um etwa 10.50 Uhr die letzte, entscheidende Panne der Reise. Stadler sieht darin ein Beispiel, wie ein Untergeordneter "eine Weltkatastrophe auslöst".

Die Chauffeure bekamen die Routenänderung nämlich aus bis heute ungeklärter Ursache nicht mit, und bogen an der Lateinerbrücke wie ursprünglich geplant ab, statt nun geradeaus zu fahren. Potiorek griff ein, was den Konvoi zum Stillstand brachte. Der an der Brücke postierte Attentäter Gavrilo Princip hatte während des umständlichen Wendemanövers leichtes Spiel. Mit zwei Schüssen tötete er Sophie und Franz Ferdinand. Dieser wollte sein Schicksal noch im Todeskampf nicht wahrhaben. Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortete er nämlich mehrmals: "Es ist nichts."