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Van der Bellen: "Ich beauftrage Karl Nehammer mit der Regierungsbildung" - Kanzler nimmt Auftrag an

Bundespräsident Van der Bellen lud am Dienstag zu einem Pressestatement, um über die weitere Vorgehensweise in Sachen Regierungsbildung zu informieren. Er erteilt der ÖVP und Nehammer den Regierungsbildungsauftrag. Karl Nehammer nimmt diesen an.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen beauftragte am Dienstag Karl Nehammer (ÖVP) mit der Regierungsbildung.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen beauftragte am Dienstag Karl Nehammer (ÖVP) mit der Regierungsbildung.

Nehammer nahm den Auftrag am Dienstagnachmittag in einem Statement "in aller Redlichkeit und Ernsthaftigkeit an". Nehammer werde hart dafür arbeiten, dass Österreich eine stabile Bundesregierung erhält. "Sie wissen, wofür ich stehe, und dazu werde ich mein Wort halten", sagte Nehammer. Konkreter stehe der Kanzler für Stabilität, eine Politik der Mitte und er wolle das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Im Fokus stehe, die besten Lösungen für Österreich zu finden.

Dafür brauche es nun eine Koalition, es brauche Inhalte und Partner. Das Wahlergebnis ist kein Auftrag zu einem "Weiter-wie-bisher", betonte Nehammer. Er werde die Sorgen aller Menschen ernst nehmen und mit in die Verhandlungen nehmen. Vor allem von jenen, die der ÖVP diesmal nicht ihr Vertrauen geschenkt haben.

Standortpolitik, Migration und Pflege

Als Kernthemen nannte er die Standortpolitik Österreichs und die Wirtschafts- sowie Wettbewerbsfähigkeit des Landes. "Viele EU-Staaten kämpfen mit einer schwierigen Phase. Unser Wohlstand muss gesichert werden", sagte Nehammer.

Das zweite zentrale Thema umfasse Migration und Integration. Eine Fülle an Maßnahmen sei bereits gesetzt worden, aber es brauche noch mehr. Drittens stehe das Pflege- und Gesundheitssystem im Fokus: "Es braucht kurze Wartezeiten und eine flächendeckende Versorgung", so Nehammer.

"Ich kann nichts versprechen"

Um diese Ziele erreichen zu können, werde Nehammer in den kommenden Wochen mit der SPÖ in vertiefende Gespräche eintreten. Für eine stabile parlamentarische Mehrheit bedürfe es aber eines dritten Partners. Nehammer könne aber nicht versprechen, dass die bevorstehenden Gespräche zu einer Regierungsbildung führen werden.

Das Statement von Nehammer

Van der Bellen erteilte ÖVP Dienstagmittag den Auftrag

"Ich beauftrage Karl Nehammer mit der Regierungsbildung": Mit diesem Satz kündigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen die nächsten Schritte in Sachen Regierungsbildung Dienstagmittag an. Gut drei Wochen nach der Wahl trat der Bundespräsident wieder vor die Öffentlichkeit und informierte über die vergangenen Gespräche mit den Parteichefs der drei stimmenstärksten Parteien. Das Staatsoberhaupt hatte bekanntlich Gespräche zwischen den drei Parteichefs angeordnet, um eine mögliche Zusammenarbeit auszuloten. Es ging vor allem um die Frage, ob ÖVP und SPÖ mit einer von Herbert Kickl geführten FPÖ regieren wollen. Wollen sie nicht.

Gespräche sollen mit SPÖ geführt werden

"Gleichzeitig hat mir Herbert Kickl versichert, dass es eine FPÖ-Regierungsbeteiligung nur mit ihm als Bundeskanzler gibt", berichtete Van der Bellen. Der Bundespräsident beauftragte nun die nach Stimmen zweitstärkste Partei, die ÖVP, unter Führung von Kanzler Karl Nehammer eine Regierung zu bilden. Es sollen laut Van der Bellen zunächst einmal Gespräche mit der SPÖ geführt werden, ob noch ein dritter Partner für eine stabile Mehrheit notwendig wäre, würde man nach diesen Gesprächen sehen, so das Staatsoberhaupt. Immerhin brauche Österreich eine stabile Regierung, die auch tiefgreifende Reformen im Land angehe.

Niemand will mit Kickl

Auch das Staatsoberhaupt ließ durchklingen, dass die Erteilung des Regierungsbildungsauftrages an den Zweiten ungewöhnlich sei. Er habe diesmal nicht die stimmenstärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragt, "weil es eine stimmenstärkste Partei gibt, mit der niemand regieren will". Dieser ungewöhnliche Fall erfordere auch ungewöhnliche Maßnahmen. Der Bundespräsident berichtete zuvor über die Vorbehalte der Parteichefs von ÖVP und SPÖ gegenüber Kickl, der wie etliche andere Politiker der FPÖ seinem Ärger Ausdruck verlieh. Und die Liste ist lang: Sorge um die liberale Demokratie, massive Sicherheitsbedenken aufgrund der Bedenken ausländischer Geheimdienste durch die russlandfreundliche Politik, das rückwärtsgewandte Frauenbild, eine spaltende Sprache, mangelnder Respekt gegenüber den politischen Mitbewerbern, fehlende Distanzierung gegenüber dem Rechtsextremismus, ein befürchteter Schaden für den Wirtschaftsstandort Österreich.

Koalition notwendig

Van der Bellen verwies mit Blick auf das Wahlergebnis der jüngsten Nationalratswahl abermals auf die Notwendigkeit einer Koalition: "Bei der Wahl handelt es sich nicht um ein Rennen, in dem die Partei, die Erster wird, automatisch die Regierung stellt. Wenn sie nicht über 50 Prozent erreicht, muss sie Partner überzeugen", sagte Van der Bellen. So sei eben Demokratie. Van der Bellen zitierte außerdem die Verfassung, in der festgehalten ist, dass das Recht vom Volke ausgehe. "Das Volk sind wir alle. Niemand kann für sich alleine das ganze Volk für sich beanspruchen", erklärte Van der Bellen und zielte damit auch auf die Selbstbezeichnung Kickls als "Volkskanzler" ab.

Das Pressestatement Van der Bellens in voller Länge