Namhafte Juristen kritisieren Entwurf zum Bundesstaatsanwalt
Mehrere Juristen haben am Mittwoch Kritik an den Plänen der Regierung zur Schaffung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft geübt. Grundsätzlich sei die zeitnahe Schaffung einer solchen Einrichtung zwar "ausdrücklich zu begrüßen". An einigen Punkten aus dem Ministerratsvortrag stoßen sich die Unterzeichner eines Papiers jedoch, darunter etwa Ex-Bundespräsident Heinz Fischer oder Verfassungsjurist Heinz Mayer. Die SPÖ sieht sich bestätigt, Kritik kam auch von den Grünen.
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Staatsanwälte bekommen neue Weisungsspitze
Wichtig sei, dass die Weisungsspitze über "jeden dünnsten Verdacht der politischen Einflussnahme" erhaben sei, betonte Fischer bei einer Pressekonferenz. Daher sei er, wie auch seine Kollegen, für eine "Bestellung sine side letters". Die im Ministerrat avisierte Wahl der Mitglieder der Bundesstaatsanwaltschaft durch den Nationalrat scheide damit aus. "Wir sind ja auch nie auf die Idee gekommen, dass wir die Richter des Obersten Gerichtshofs vom Parlament wählen lassen", meinte Mayer. Für die Personalauswahl sei es sinnvoll, einen ständigen Personalsenat aus erfahrenen Richterinnen und Staatsanwälten einzurichten - verbunden mit einem anschließenden Stellungnahme- bzw. Vorschlagsrecht der Bundesregierung an den Bundespräsidenten, ähnlich wie bei der OGH-Spitze. Entscheidend sei, dass im weiteren Verfahren niemand bestellt werden dürfe, dessen Eignung nicht durch die Aufnahme in den Vorschlag des Personalsenats nachgewiesen sei.
Staatsanwälte und Staatsanwältinnen seien "Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit", somit obliege die Kontrolle in erster Linie den Gerichten. Eine parlamentarische Kontrolle in Einzelstrafsachen, in welcher Form auch immer, sei abzulehnen.
Mayer: "Da geht es nicht um einen Hendldieb"
Da die Bundesstaatsanwaltschaft nur über Fälle von besonderem Interesse entscheide, sei es wichtig, die Posten ausschließlich mit qualifiziertem Fachpersonal, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten bzw. Richterinnen und Richtern mit langjähriger Erfahrung im Bereich Strafrecht zu besetzen, betonte Mayer weiter. "Denn bei der Bundesstaatsanwaltschaft gehts ja nicht um einen Hendldieb." Bei der Dauer der Besetzung hielt Fischer zumindest neun, besser zwölf Jahre für angemessen, anders als die im Ministerratsvortrag vorgesehenen sechs Jahre. Eine Wiederwahl solle nicht möglich sein.
Unterstützt werden die Forderungen, unterzeichnet unter anderem von der ehemaligen OGH-Präsidentin Irmgard Griss, dem Vorsitzenden der BMJ-Untersuchungskommission Martin Kreutner und der Ex-EGMR-Richterin Elisabeth Steiner auch vom ehemaligen Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes und unter Kanzlerin Brigitte Bierlein Kurzzeit-Justizminister Clemens Jabloner. Er sei der Bundesstaatsanwaltschaft anfangs kritisch gegenübergestanden, habe sich dann aber dem "kollegialen Modell" angeschlossen. Er sieht eine "seltsame Dissonanz": Einerseits könne der Minister bzw. die Ministerin den Verdacht einer politischen Einflussnahme nicht ganz loswerden, in der Praxis "kann er aber sehr wenig tun".
Berichtspflichten bei "clamorosen Fällen" widersprechen Gleichheitsgrundsatz
Gemäß Ministerratsvortrag soll die Fachaufsicht in Einzelstrafsachen einem Kollegialorgan übertragen werden. Das sei zu begrüßen. Demselben Organ aber auch die administrative und sonstige Leitung der Behörde zu übertragen, sei unpraktikabel und verfehlt. Als Behördenleitung, welche die Behörde auch nach außen zu vertreten hat, sei eine von den für Einzelstrafsachen zuständigen Senaten unabhängige Person sinnvoll, betonte Kreutner.
Die derzeitige Regelung, wonach es in "clamorosen" Fällen, also jenen von besonderem öffentlichen Interesse, Berichtspflichten gibt, die es sonst nicht gibt, sei zu überdenken, sagte Walter Geyer, nach ihrer Gründung erster Leiter der WKStA. Diese Regelung widerspreche dem Grundsatz "Vor dem Gesetz sind alle Staatsbürger gleich." Die derzeitige Regelung sei weltweit einzigartig und binde zusätzliche Ressourcen. Daher empfiehlt er, im Rahmen der Implementierung der Bundesstaatsanwaltschaft den staatsanwaltlichen Berichts- und Weisungszug auf im Regelfall zwei Instanzen zu beschränken.
Sporrer sieht sich bestätigt
Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) sah sich durch die Forderungen bestätigt. "Ich freue mich, heute so großen Rückhalt von höchsten Repräsentant:innen aus Politik, Wissenschaft und Justiz für das Projekt Bundesstaatsanwaltschaft zu erhalten", meinte sie in einem Statement gegenüber der APA. Im Ministerratsvortrag vom Juli habe man sich auf die Eckpunkte geeinigt, jetzt gehe es daran, die offenen Punkte auszugestalten. "Ich begrüße besonders die heute ausgedrückte Unterstützung für die Einrichtung als Kollegialorgan, sowie die Forderungen, nur auf dem Gebiet des Strafrechts erfahrene Richter:innen und Staatsanwält:innen den Weg an die Spitze der Bundesstaatsanwaltschaft zu ermöglichen und die parlamentarische Kontrolle laufender Ermittlungen auszuschließen", so Sporrer weiter.
In einem nächsten Schritt werde nun die Abstimmung mit Stakeholdern und Experten und Expertinnen sichergestellt, gerade was die parlamentarische Einbindung in den Bestellungsmodus und die parlamentarische Kontrolle betreffe. Ende September sei ein Treffen von Vertretern und Vertreterinnen der Justiz und der Parlamentsklubs im Justizministerium geplant.
Zadić: "Regierung muss Warnrufe ernst nehmen"
Kritik kam indessen von ihrer Vorgängerin Alma Zadić (Grüne). "Die bisher bekannten Pläne der Bundesregierung für die Bundesstaatsanwaltschaft legen den Verdacht nahe, die drei Regierungsparteien könnten sich die drei Bundesstaatsanwaltschaftsstellen politisch aufteilen". Diesen Anschein sah sie durch die Justiz- und Verfassungsexperten bestätigt: "Die heutige Pressekonferenz der Justiz-Experten war eine dringender und durchdachter Appell an die Regierung. Die Bundesregierung muss die Warnrufe der Fachleute ernst nehmen", sagte die nunmehrige grüne Klubvizechefin und Justizsprecherin in einem Statement gegenüber der APA.