Gerüchte machten schon länger die Runde, am Mittwoch verdichteten sich die Hinweise, wer der nächste Wiener Erzbischof werden könnte. Gewissheit soll es am Donnerstag geben, wenn die Entscheidung des Vatikans offiziell wird. Als Favorit für die Nachfolge von Christoph Schönborn gilt Josef Grünwidl, der seit 22. Jänner als apostolischer Administrator in der Diözese dient. Damals hatte sich der bisherige Erzbischof Schönborn in den Ruhestand zurückgezogen.
Weitere Kandidaten, die in der Vergangenheit genannt wurden, sind der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler sowie der Generalsekretär der Bischofskonferenz Peter Schipka. Am Donnerstag wird der Ministerrat laut Informationen aus Regierungskreisen per Umlaufbeschluss den neuen Erzbischof absegnen. Das Außenministerium wurde offenbar schon am Mittwoch über den Schritt informiert. Der Ministerrat ist gemäß Konkordat mit der Angelegenheit befasst. Anzunehmen ist, dass die Regierung keine Einwände "allgemein politischer Natur" haben wird.
Grünwidl stammt aus Niederösterreich und besuchte das erzbischöfliche Gymnasium in Hollabrunn, wo er 1981 maturierte. Danach trat er in das Priesterseminar der Erzdiözese Wien ein und studierte Theologie in der Bundeshauptstadt. Grünwidl ist aber nicht nur ein Mann Gottes, sondern auch einer, der Musik liebt: Parallel zum Studium der Theologie studierte er Orgel an der Universität für Musik und darstellende Kunst. 1988 wurde er im Stephansdom von Kardinal Franz König zum Priester geweiht. Schönborn und Grünwidl kennen einander schon lange und gut: Grünwidl war von 1995 bis 1998 der Sekretär des damals neu ernannten Erzbischofs Schönborn.
In der Diözese gilt Grünwidl als sehr beliebt und gewissenhaft. Er selbst hatte dem Vernehmen nach schon mehrfach bekundet, kein Interesse an dem Amt zu haben. Insider munkeln, dass der pflichtbewusste Priester seiner Berufung nun nicht mehr ausgekommen sein könnte.
Die Ernennung des neuen Wiener Erzbischofs hat schon lange auf sich warten lassen. Bereits seit fünf Jahren weiß der Vatikan, dass die Erzdiözese eine neue Leitung braucht. Damals hatte Schönborn wegen Erreichens der Altersgrenze pflichtgemäß seinen Rücktritt angeboten. Erst heuer nahm der mittlerweile verstorbene Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch Schönborns an.
Hauptsächlich zuständig für die Suche nach dem neuen Erzbischof ist das Dikasterium für die Bischöfe im Vatikan, das sich eng mit dem Nuntius - dem "Botschafter" des Vatikans in Österreich - abstimmt. Vorsitzender des Dikasteriums war der jetzige Papst selbst, ein Nachfolger wurde noch nicht ernannt. Die endgültige Entscheidung obliegt dennoch dem Heiligen Vater, also dem neuen Papst Leo XIV. - der üblicherweise die Personalentscheidung mit seiner Unterschrift absegnet. Kommuniziert wird die Ernennung im päpstlichen Bollettino.