Seitens der Grünen wird bedauert, dass man sich mit der ÖVP nicht auf Matejka einigen haben können. Nun könne aber die Entscheidung nicht mehr aufgeschoben werden. Filzwieser sei top-qualifiziert und von Parteien vollkommen unabhängig.
Der designierte neue Präsident, der noch offiziell von der Regierung nominiert werden muss und die Bestätigung des Bundespräsidenten braucht, ist langjähriger Leiter der größten Kammer des Bundesverwaltungsgerichts. In dieser Funktion habe er sich bei Behörden, Richterinnen und Richtern sowie der Zivilgesellschaft gleichermaßen Anerkennung und Respekt erarbeitet, heißt es seitens der Grünen.
Aktuell wird das Gericht interimistisch von Michael Sachs geleitet. Die Personalie war aktuell geworden, als Harald Perl 2022 in Pension gegangen war.
Matejka wollte sich auf APA-Anfrage vorerst nicht äußern. Sie warte jetzt einmal das formelle Ende des Verfahrens ab, das erst mit der Entscheidung des Bundespräsidenten abgeschlossen ist. Möglich ist etwa ein Gang zur Gleichbehandlungskommission - einen solchen Schritt hatte sie im Vorfeld nicht ausgeschlossen.
"Nicht zur Tagesordnung übergehen" will der Präsident der Richtervereinigung, Gernot Kanduth. Zunächst einmal sei es gut, dass die Pattsituation im Tauziehen um die Präsidenten-Stelle beendet sei. Aber: "Ich glaube schon, dass der Rechtsstaat Schaden genommen hat, weil der Anschein entstanden ist, dass nicht nur sachliche Kriterien zum Tragen gekommen sind", so Kanduth zur APA.
Für die Zukunft müsse man die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, dass so etwas nicht mehr möglich sei. Die leichteste Variante sei, die Entscheidung zur Besetzung dieser Stelle der Bundesregierung wegzunehmen und der Justizministerin oder dem Justizminister allein zu übertragen. "So vermeidet man zumindest diese Sideletter-Optik." Man könne aber auch überlegen, bei Untätigkeit der Regierung nach einem gewissen Zeitraum das Vorschlagsrecht jemand anderem zu übertragen. Die lange Vakanz des Amtes habe auch international Wellen geschlagen. "Das ist kein rechtsstaatliches Kavaliersdelikt", meinte Kanduth. Zumindest sollte man die "sichtbaren Narben des Rechtsstaats" zum Anlass nehmen, bei Bestellungen an den anderen Verwaltungsgerichten nach dem Vorbild des OGH unabhängige richterliche Kollegialorgane miteinzubeziehen.
Ähnlich auch der Sprecher des Dachverbands der Verwaltungsrichter, Markus Thoma: Er begrüßte den "überfälligen Schritt, einen Ernennungsvorschlag zu unterbreiten". "In Anbetracht der Dauer der regierungsinternen Diskussion und vor dem Hintergrund der Sideletter ist es aber auch notwendig, diesen Besetzungsvorschlag zu begründen", so Thoma zur APA. Der ursprüngliche Vorschlag der Besetzungskommission sei dem Vernehmen nach ausführlich begründet gewesen und habe explizit eine Reihung vorgesehen. "Ein Abgehen davon bedarf daher guter bzw. besserer Gründe, als sie die Kommission ins Treffen geführt hat. Sonst verbleibt der Anschein einer parteipolitischen Entscheidung."
Auch die Öffentlichkeit habe ein legitimes Interesse daran, warum jemand mit eíner derart wichtigen und herausgehobenen Aufgabe betraut werde, meinte Thoma. Er erinnerte auch daran, dass in einem nationalen Ernennungsverfahren den Bewerbern zwar keine Parteistellung zukomme. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe aber entschieden, dass ein begründungsloses Abgehen von einem begründeten Vorschlag ein fehlerhaftes Ernennungsverfahren zur Folge haben könne.
Für den stellvertretenden SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried und SP-Justizsprecherin Selma Yildirim zeigt die ganze Angelegenheit, wie rücksichtslos die ÖVP mit staatlichen Institutionen umgehe. Es sei völlig unverantwortlich, die Leitung des größten Gerichts Österreichs aus parteipolitischem Hick-Hack über ein Jahr nicht nachzubesetzen. Immerhin gesteht man zu, dass die fachliche Eignung Filzwiesers unbestritten sei.
Verärgert über die Regierung sind auch die NEOS, deren Vize-Klubchef Nikolaus Scherak eine Farce sieht. Bei der Besetzung eines unabhängigen Gerichts sollte einzig und allein zählen, wer der oder die Beste sei, und nicht, auf wen sich die Bundesregierung einigen könne. Er sieht eine Verhöhnung der Erstgereihten und der Auswahlkommission.
Eine Reform des Bestellungsprozesses fordern wiederum in einer gemeinsamen Aussendung die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die netzpolitische Bürgerrechtsorganisation epicenter.works, die Umweltschutzorganisation ÖKOBÜRO - Allianz der Umweltbewegung und die asylpolitische Plattform asylkoordination. Es könne weder den Bewerbern noch der Bevölkerung zugemutet werden, dass eine Entscheidung aus parteitaktischen Gründen so lange verzögert werde.