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"Inflationswerte sind ein Schock": Regierung will Teuerung bekämpfen und Wirtschaft ankurbeln

Die schwarz-rot-pinke Dreierkoalition ist am Dienstag zu einer zweitägigen Regierungsklausur im Bundeskanzleramt zusammengekommen. Hauptthemen dabei sind die trübe Wirtschaftslage und die hohe Teuerung. Zur Konjunkturbelebung soll ein Konjunkturpaket im Volumen von einer Milliarde Euro geschnürt werden.

Beratungen von ÖVP, SPÖ und Neos im Bundeskanzleramt
Beratungen von ÖVP, SPÖ und Neos im Bundeskanzleramt

Nach der Regierungsklausur am Dienstag, die ganz im Schatten der hohen Inflation und der schlechten Wirtschaftslage stattfand, traten Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ), Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und Entbürokratisierungs-Staatssekretär Sepp Schellhorn (Neos) vor die Presse, um erste Punkte zu nennen, wie die Regierung den beiden Entwicklungen begegnen will.

"Der wesentlichste Punkt ist, dass uns nicht nur die Inflation beschäftigt, sondern auch die extreme Zurückhaltung der heimischen Wirtschaft, was Investitionen betrifft", sagte Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer. Er sprach vor allem zu den Maßnahmen, die die Wirtschaft wieder in Schwung bringen sollen. Neben der Unterstützung von Start-ups, einem Industriestrombonus und der Verdoppelung des Investitionsfreibetrags soll ein staatlich initiierter Investitionsfonds privates Kapital für Infrastrukturprojekte - und hier vor allem den Stromnetzausbau - anziehen. Auch bei den anderen Stellungnahmen wurde immer wieder betont, dass der Staat nur Anreize setzen könne. Finanzminister Marterbauer sagte dazu: "Wir haben nicht den einen Knopf für den Wirtschaftsaufschwung, wir haben auch nicht den Knopf und die Inflation sinkt." Die neuesten Inflationswerte seien ein "Schock gewesen". Man wolle vor allem den sogenannten Österreich-Zuschlag gemeinsam mit anderen kleinen Ländern auf EU-Ebene bekämpfen. Außerdem soll es mehr Transparenz bei Verpackungsgrößen, also der sogenannten "Shrinkflation", geben. Die gute Nachricht: "Die Rezession ist vorbei. Wir sind in keinem starken Aufschwung, aber wir spüren eine Erleichterung", sagte Marterbauer. Aber es stünden noch große Herausforderungen bevor. Preiseingriffe, die Marterbauer einmal im SN-Interview in den Raum gestellt hatte, waren in der Form nicht mehr Thema in der Regierung.

Man wolle als Staat mit gutem Beispiel vorangehen und positive Signale setzen, meinte Schellhorn. Man werde deshalb einen eigenen Entbürokratisierungsministerrat planen, mit dem Gesetze entrümpelt werden sollen. "Damit auch kleine Betriebe wieder zu Investitionen ermutigt werden. Ich freue mich jetzt schon auf diesen Ministerrat."

Die am Dienstag veröffentlichten Inflationszahlen seien "keine guten Nachrichten", eine Inflationsrate von 4,1 Prozent sei "viel zu viel", betonte Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) bereits vor Beginn der Regierungsklausur zu Mittag. Daher werde man sich dem Thema im Rahmen der zweitägigen Klausur intensiv widmen, genauso wie Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums, "damit Österreich wieder auf die Überholspur kommt".

Investitionsanreize geplant

Geplant sind unter anderem Investitionsanreize, etwa indem der Investitionsfreibetrag von zehn auf 20 Prozent erhöht wird, sowie Mittel für den Breitbandausbau, wie Stocker am Vorabend im ORF-"Sommergespräch" angekündigt hatte. Mit je 75 Mill. Euro sollen energieintensive Betriebe heuer und im kommenden Jahr unterstützt werden. Eine Entlastung soll es bei der Energieabgabe geben.

Bei den Lebensmittelpreisen setzt man - im Kampf gegen den "Österreich-Aufschlag" im Lebensmittelhandel - vor allem auf die EU. Auch will man prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, national tätig zu werden, so Stocker. Zudem sollen die Bundesgebühren im nächsten Jahr maximal um zwei Prozent erhöht werden.

Auch national wolle man prüfen, wie die Lebensmittel wieder billiger werden können, sagte Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ). Zudem gehe es darum, leistbare, günstigere Energie für alle zu garantieren und Wohnen bezahlbar zu machen. Es seien "harte Entscheidungen" zu treffen, um das Ziel einer Inflationsrate von zwei Prozent im kommenden Jahr zu erreichen und "aus dem Tal der Tränen herauszukommen", so Neos-Chefin und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger.

Pensionen sollen unter Inflationsrate erhöht werden

Die Gegenfinanzierung sei gesichert, betont die Regierung, blieb aber bei den Details vage. Stocker verwies auf Umschichtungen im Budget und Kürzungen bei den Förderungen. Einig ist man sich offenbar auch, dass die Pensionen - sozial gestaffelt - unter der Inflation, also unter 2,7 Prozent, erhöht werden sollen. Die Verhandlungen dazu stehen allerdings noch aus.

Neu aufgestellt werden müssen jedenfalls mindestens 400 Millionen Euro, denn 600 Millionen Euro hatte die Bundesregierung bereits im heuer beschlossenen Doppelbudget für Offensivmaßnahmen budgetiert. Unsicher ist jedoch angesichts der schwachen Wirtschaftsentwicklung, ob die bisherigen Konsolidierungsmaßnahmen reichen oder ob die Regierung hier noch nachbessern muss.

Vollzug des Budgets auf Bundesebene laut Stocker im Plan

Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) habe ihm mitgeteilt, "dass wir beim Vollzug des Budgets auf Bundesebene im Plan liegen", sagte Stocker. Sobald man belastbare Zahlen aus den Ländern und Gemeinden habe, werde man entscheiden, ob weitere Maßnahmen zu treffen seien.

Bei der Regierungsklausur soll auch das Programm für das nächste halbe Jahr festgelegt werden. Aus Spargründen trifft sich die Dreierkoalition im Kanzleramt. Am heutigen ersten Tag der Klausur werden als Wirtschaftsexperten die deutsche "Wirtschaftsweise" Ulrike Malmendier, die an der Universität in Berkeley lehrt, sowie der IHS-Ökonom Sebastian Koch zurate gezogen. Die österreichische Wirtschaft kommt nach zwei Rezessionsjahren nicht in Schwung und dürfte heuer laut Prognosen der Wirtschaftsforscher stagnieren (Wifo) bzw. um magere 0,1 Prozent (IHS) wachsen.

Forderungen aus Energiebranche und NGOs an Regierung

Anlässlich der Regierungsklausur appellierten Branchenvertreter an die Regierung, den Ausbau der Erneuerbaren zu fördern. Der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) verwies auf die preisdämpfende Wirkung erneuerbarer Energie für Haushalte und Unternehmen. Die IG Windkraft forderte die Schaffung von Rahmenbedingungen für Investitionen in Windkraft als "Konjunkturmotor". Die österreichische Windkraftbranche stehe mit einem Investitionsvolumen von über 4,7 Milliarden Euro bereit, um zur "aktuellen Wirtschaftskrise und zur Inflationsbekämpfung beizutragen", so der Präsident der IG Windkraft, Josef Plank.

Auch Greenpeace forderte Investitionsanreize zum "grünen Umbau der Wirtschaft", wie Förderungen von Sanierung und Heizungsaustausch. Die Armutskonferenz sprach sich indes für eine "Wohnbau-Investitionsbank" aus, bei der Gelder von der Europäischen Investitionsbank in Form günstiger Darlehen an Wohnbauträger weitergeleitet werden könnten. Zudem forderte sie eine Ausweitung des Energie-Sozialtarifs auf Arbeitslose sowie Personen mit niedrigem Einkommen.