Man wolle die Kommunikation der Kirche abwarten, bevor man sich zu dem Thema äußert, hieß es am Vormittag aus Regierungskreisen zur APA. Der Ministerrat muss gemäß Konkordat mit der Angelegenheit befasst werden. Gibt es keine Einwände "allgemein politischer Natur", wird die Ernennung im offiziellen "Bollettino" des Vatikans bekanntgegeben. Laut einer Meldung der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress, die im Auftrag der Österreichischen Bischofskonferenz tätig ist, dürfte der Umlaufbeschluss im Ministerrat wohl bereits unterzeichnet worden sein.
Eine offizielle Bekanntgabe durch den Vatikan gab es am Donnerstag nicht, im zu Mittag aktualisierten "Bollettino" war Wien kein Thema. Spekuliert wurde damit, dass die Katholische Kirche die Entscheidung bis spätestens Samstag amtlich macht.
Weihe in der zweiten Jännerhälfte
Zur Ernennung des neuen Erzbischofs wird in Wien traditionell die Pummerin geläutet. Bevor Grünwidl den Bischofssitz "in Besitz nehmen" kann, muss er noch zum Bischof geweiht werden. Diese Weihe würde laut Erzdiözese wahrscheinlich sein Amtsvorgänger Schönborn übernehmen, voraussichtlich in der zweiten Jännerhälfte 2026.
Ob Grünwidl so wie Schönborn und dessen Amtsvorgänger auch zum Kardinal ernannt wird und damit ein Stimmrecht bei der Wahl des nächsten Papstes bekäme, ist unterdessen noch offen. Zwar war es wegen der historischen Rolle des Bistums Wien laut einem Sprecher der Erzdiözese bisher üblich, dass der Wiener Erzbischof nach einer gewissen Zeit vom Papst zum Kardinal ernannt wird. Eine kirchenrechtliche Bestimmung dazu gibt es allerdings nicht. Papst Franziskus hatte sich zuletzt von dieser Tradition gelöst. Wie es der aktuelle Papst Leo mit dieser Frage hält, ist nicht absehbar. Er hat bisher noch keine Bischöfe ernannt.
Grünwidl hatte im Sommer noch abgewunken
Josef Grünwidl hat das Amt des Erzbischofs jedenfalls nicht aktiv angestrebt: Noch vor einigen Wochen hatte er sich selbst noch aus dem Rennen um das Amt genommen. Manche seiner Positionen sind auch nicht unbedingt mit jenen des Vatikan deckungsgleich. So hatte er sich im April gegen das Pflicht-Zölibat ausgesprochen. Der 62-Jährige hat durchaus Erfahrung in der Erzdiözese. 1993 wurde er für fünf Jahre Sekretär des neu ernannten Erzbischofs Schönborn. Vor seiner Ernennung zum Administrator war er geschäftsführender Vorsitzender des Wiener Priesterrats.
Dass es einen neuen Wiener Erzbischof gibt, ist keine Alltäglichkeit. 30 Jahre ist es her, dass Schönborn in sein Amt eingeführt wurde. Überhaupt gab es in der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg erst vier Wiener Erzbischöfe, was vor allem auch mit der ebenfalls 30-jährigen Amtszeit von Kardinal Franz König zusammenhängt.
Weitere Kandidaten, die in der Vergangenheit als mögliche Schönborn-Nachfolger genannt wurden, sind der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler sowie der Generalsekretär der Bischofskonferenz Peter Schipka.