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Terror von Franz Fuchs: "Spiegelte Klima in Österreich wider"

Vor zwanzig Jahren hat die erste Anschlagsserie des Briefbomben-Attentäters Franz Fuchs Österreich erschüttert. "Die Tat hat in gewisser Weise das Klima in Österreich widergespiegelt", sagt Historiker Gerhard Botz heute.

Terror von Franz Fuchs: "Spiegelte Klima in Österreich wider"
Terror von Franz Fuchs: "Spiegelte Klima in Österreich wider"

Die Jahre 1993 bis 1997, von den ersten Briefbomben-Attentaten bis zur Verhaftung von Franz Fuchs, waren durch mehrere deutliche Entwicklungen gekennzeichnet, so Botz: Wesentliche Faktoren waren die Balkankriege, "durch die Gewalt in Europa wieder sichtbar wurde", die Ostöffnung, die Zuwanderungswellen aus den Krisen- und Kriegsgebieten und der Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider. Eine "Umorientierung der rechten Feindbilder" fand statt. "Die Briefbomben-Attentate sind vor dem Hintergrund der heftigen und immer intensiver geführten Migrationsdebatte zu sehen", meinte auch der Historiker Oliver Rathkolb zur APA.

Angst vor Zuwanderung und Überfremdung

Das 1993 von Jörg Haider initiierte Anti-Ausländer-Volksbegehren "Österreich zuerst" war "Ausdruck einer Radikalisierung des innenpolitisch aufgeheizten Klimas", so Pelinka. Dieses sei massiv von einer Angst vor Zuwanderung und Überfremdung geprägt gewesen, erklärte Botz. "Einzeltäter greifen in der Gesellschaft vorhandene Bedrohungsszenarien und Geschichtsbilder auf. Die Tat von Franz Fuchs hat in gewisser Weise das Klima widergespiegelt." Niemals in der Zweiten Republik habe es so viel politische Gewalt gegeben wie bei dieser Terrorwelle. "In der Politik herrschte die Meinung, wir hätten die gewalttätige Zeit der Ersten Republik überwunden. Dieses Bild ist damals gebrochen", sagte Botz. In der Öffentlichkeit entstand die Sorge, dass Österreich in die Gewalttätigkeit zurückfallen würde.

"Die Anschlagsserie von Franz Fuchs war insofern ein tief greifendes Ereignis, weil die Zweite Republik zwar politische Opfer gesehen hat, aber nicht in diesem Ausmaß und dieser Intensität", sagte auch Rathkolb. Es gab zwar politische Attentate, etwa der Anschlag auf die Wiener OPEC-Konferenz oder das Attentat einer palästinensischen Terrororganisation auf die Wiener Synagoge. "Diese wurden aber als etwas gesehen, das von außen kommt. Die Briefbomben-Attentate waren etwas, was in Österreich selbst entstanden ist, das war das Beunruhigende."

Rohrbomben-Attentat: Vier Roma getötetDas Rohrbomben-Attentat im burgenländischen Oberwart, bei dem vier Roma getötet wurden, "hat kurzzeitig eine öffentliche politische Solidarität hervorgerufen und sich positiv auf das Verhältnis der österreichischen Politik bzw. der Gesellschaft gegenüber Roma und Sinti ausgewirkt." An der Debatte über Migration habe sich aber nicht wirklich etwas geändert. "Die Grundstimmung in der österreichischen Gesellschaft ist die, dass sie sich - obwohl Österreich ein dokumentiertes Einwanderungsland ist - nicht als Einwanderungsgesellschaft sieht", sagte Rathkolb.

In den 1990er-Jahren war die Migrationsdebatte "neuer" und sie wurde durch Jörg Haider "intensiver umgesetzt". Gleichzeitig entwickelte sich eine Gegenbewegung der Zivilgesellschaft. Das Lichtermeer, bei dem 1993 rund 250.000 bis 300.000 Menschen gegen das Anti-Ausländer-Volksbegehren demonstrierten, zeigte, "dass die breite Mobilisierung gegen die Fremdenfeindlichkeit damals noch möglich war", sagte Botz. "Die Mobilisierungskraft gegen solche Tendenzen ist heute gering." Auch in die größeren Parteien habe eine "starke negative Haltung gegenüber Zuwanderern Eingang" gefunden.

Keine Nachahmungstäter

Dass es keine Nachahmungstäter gegeben hat, hänge sicherlich mit dem "noch immer funktionierenden Sozialnetz in Österreich" zusammen, meinte Rathkolb. In den neuen Bundesländern in Deutschland sei es genau aus diesem Grund zu Übergriffen mit Todesfolge gekommen. "Ich glaube, dass die Aggression draußen ist, solange die soziale Situation halbwegs stabil ist - wenn sich das ändert, wie etwa in Griechenland, dann könnte sich Derartiges wiederholen." Einzelhandlungen seien jedoch schwer prognostizierbar, Einzeltäter nie auszuschließen, meinte Botz. "Analoge Gewalttaten sind leider vorstellbar", so auch Pelinka.