Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." Der Artikel 1 der Bundesverfassung ist allgemein bekannt und populär. Doch gleich in Artikel 2 wird es für das politische Machtgefüge im Land brisant: "Österreich ist ein Bundesstaat. Er wird gebildet aus den selbstständigen Ländern: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien." Und damit alles so bleibt, wie es ist, wird in Ziffer 3 des zweiten Artikels festgeschrieben: "Änderungen im Bestand der Länder oder eine Einschränkung der in diesem Absatz und in Art. 3 vorgesehenen Mitwirkung der Länder bedürfen auch verfassungsgesetzlicher Regelungen der Länder."
Das dürfte wohl dem Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer durch den Kopf gegangen sein, als er nach der für ihn erfolgreichen Wahl bekannt gab, er wolle mit Grünen und Neos eine neue Landesregierung bilden. Da kam ihm wohl nicht nur die Position des Landes innerhalb des Bundesstaates Österreich in den Sinn, sondern auch die der Salzburger ÖVP innerhalb der türkis gewordenen Bundespartei.
Haslauer hat zwar bei der Wahl Rückenwind aus Wien bekommen, gewonnen hat er aber letztendlich allein. Die Kampagne war auf ihn als Person zugeschnitten, weder die Partei noch sein Regierungsteam spielten eine große Rolle. Die Unabhängigkeit von der Bundespartei dokumentierte er jetzt mit der Auswahl seiner möglichen Koalitionspartner. Bundesparteiobmann Sebastian Kurz hätte gern eine Verlängerung der türkis-blauen Regierung auch im Salzburger Chiemseehof gesehen, ließ Haslauer wissen. Er hat anders entschieden.
Daraus jetzt einen Konflikt zwischen Sebastian Kurz und seinem Mentor Wilfried Haslauer zu konstruieren wäre übertrieben. Aber eines ist klar: Die Macht des jungen ÖVP-Chefs innerhalb seiner Gesinnungsgemeinschaft hat ihre Grenzen. Es ging noch durch, dass er für die Listenerstellung bei der Nationalratswahl ein Durchgriffsrecht für sich beanspruchte. Aber was die Aktivitäten der Salzburger Landespartei innerhalb des Landes betrifft, endet der Einfluss des Kanzlers auf der Autobahn bei Mondsee.
Bereits in Tirol hat Landeshauptmann Günther Platter nicht das gemacht, was Sebastian Kurz wollte: eine schwarz-blaue Regierung. Stattdessen hat er eine Fortsetzung von Schwarz-Grün durchgeboxt und der auf Bundesebene schwer geschlagenen Ökopartei zum Weiterleben verholfen. Mit Haslauers Coup - wenn er denn aufgeht - sitzen die Grünen weiterhin in vier Regierungen (Tirol, Salzburg, Wien, Vorarlberg) und können von dort aus ihr bundespolitisches Comeback betreiben.
Für das Machtgefüge im Staat ist die neue Buntheit der Länder kein Schaden. Sie kann auch als Zeichen der demokratischen Reife und der Machtbalance interpretiert werden. Eine Reform des Staates kann der Regierung Kurz-Strache auch mit rot-grünen, schwarz-blauen, schwarz-grün-pinken oder rot-blauen Ländern gelingen.
Wilfried Haslauer hat ein Regierungsmodell im Auge, das ihm und seiner nach wie vor schwarzen Partei viel Macht und möglichst freie Hand in Aussicht stellt. Mit der SPÖ oder der FPÖ wäre das nicht so einfach gewesen. Bei den politischen Fragen, die auf die Länder zukommen, geht es aber nicht so sehr um die Farbenlehre. Die Vereinheitlichung der Mindestsicherung, die Finanzierung des abgeschafften Pflegeregresses, die Neuaufstellung der Unfallversicherungsanstalt, die Zusammenführung der Gebietskrankenkassen, die Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern stehen an. Spätestens da wird sich zeigen, ob der Salzburger Landeshauptmann mit der von ihm angepeilten schwarz-grün-pinken Regierung nicht nur farbtechnisch, sondern auch inhaltlich von der Regierung in Wien abrückt. Das ist derzeit nicht in Sicht.
Wilfried Haslauer will das Land modernisieren. Das erscheint ihm mit einer schwarz-grün-pinken Reformpartnerschaft leichter als mit der sozialpartnerschaftlich dominierten SPÖ oder der nach rechts ausgerichteten FPÖ. Haslauer will eine Regierung der Mitte, nicht links, nicht rechts, er will, dass Salzburg vorn ist. Das erscheint ihm mit Schwarz-Grün-Pink leichter möglich zu sein als mit anderen. Auch wenn der Wunsch von Sebastian Kurz ein anderer gewesen ist.