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Erste Ausländer verlassen Gazastreifen über Grenzübergang Rafah

Eine erste Gruppe von Ausländern hat den Gazastreifen in Richtung Ägypten verlassen. Wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, überquerten am Mittwoch zahlreiche Menschen den Grenzübergang in Rafah. Es war das erste Mal seit dem Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober, dass der Grenzübergang für Menschen geöffnet wurde. In den vergangenen Wochen war lediglich Hilfskonvois die Durchfahrt genehmigt worden.

Die ägyptischen Behörden hatten zuvor die außerordentlich Öffnung des einzigen nicht von Israel kontrollierten Grenzübergangs in den Gazastreifen angekündigt. Demnach dürfen rund 90 schwer verletzte Palästinenser und rund 400 Menschen mit ausländischem Pass die Grenze passieren.

Angaben ausländischer Regierungen zufolge befinden sich Staatsbürger aus 44 Ländern im Gazastreifen, die für 28 Agenturen oder Organisationen arbeiten. Am Dienstagabend hatte ein Sprecher des US-Außenministeriums von "sehr guten Fortschritten" bei der Frage der Ausreise von US-Bürgern aus dem Gazastreifen gesprochen.

Ägyptische Fernsehsender zeigten am Mittwoch zunächst Livebilder von einer großen Anzahl an Rettungswagen, welche die Grenze in Rafah in Richtung Gazastreifen überquerten. Sie sollten schwer verletzte Palästinenser zur Behandlung in ägyptische Krankenhäuser bringen, wie ägyptische und palästinensische Vertreter erklärten.

Der Gazastreifen wird seit 2007 von der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas regiert. Seit dem groß angelegten Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ist das Küstengebiet mit 2,4 Millionen Einwohnern komplett abgeriegelt und wird vom israelischen Militär unter Dauerbeschuss genommen. Durch die israelischen Bombardierungen wurden nach nicht unabhängig überprüfbaren Angaben der Hamas mehr als 8.500 Palästinenser getötet.

Israels nationaler Sicherheitsberater Tsachi Hanegbi sagte unterdessen vor Journalisten, dass sein Land mit Ägypten über im Gazastreifen verletzte Menschen im Austausch stehe. Er betonte aber, es gebe immer noch Meinungsverschiedenheiten über Hilfslieferungen für den Gazastreifen. Ägypten will mehr Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen schicken. Israel erklärt hingegen, es habe nur begrenzte Kapazitäten für eine Kontrolle der Lkw.

Im Gazastreifen sind am Dienstag insgesamt 59 Lastwagen mit dringend benötigten Hilfsgütern eingetroffen. Der Konvoi habe vier Lastwagen umfasst, die vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) gestellt wurden, teilte der Palästinensische Rote Halbmond am Dienstagabend mit. Der Rest sei vom Ägyptischen Roten Halbmond geliefert worden, der für die Lieferung von Hilfsgütern von verschiedenen ägyptischen Organisationen und aus anderen Ländern verantwortlich ist.

Mit diesem Konvoi, der Lebensmittel, Wasser und medizinische Hilfsgüter transportierte, sind den Angaben zufolge seit Beginn des Gaza-Krieges etwas mehr als 200 Lastwagen in dem abgeriegelten Küstengebiet eingetroffen. Laut UNO werden täglich 100 Lastwagenladungen benötigt, um die 2,2 Millionen Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Vor Kriegsbeginn kamen nach Angaben des UNO-Nothilfebüros OCHA im Durchschnitt unter der Woche täglich 500 Lkw in den Gazastreifen.

Das ägyptische Außenministerium verurteilte den Beschuss "auf das Schärfste" und warnte vor den "Folgen einer Fortsetzung dieser willkürlichen Angriffe, die wehrlose Zivilisten treffen". Die israelische Armee sprach von einem Angriff gegen "Terroristen und Terrorinfrastruktur" der Hamas, bei dem deren führender Vertreter Ibrahim Biari und zahlreiche weitere Kämpfer getötet worden seien.

Bei Zusammenstößen mit dem israelischen Militär sind im Westjordanland am Dienstag palästinensischen Angaben zufolge zwei Menschen getötet worden. Einem 70-Jährigen sei bei einem Armeeeinsatz in dem Ort Tubas nördlich von Nablus ins Gesicht geschossen worden, teilte das Gesundheitsministerium in Ramallah mit. Sechs weitere Menschen seien bei der Razzia verletzt worden, eine Person davon lebensgefährlich. Ein 16 Jahre alter Jugendlicher soll den Angaben zufolge bei Konfrontationen mit Soldaten in der Stadt Beit Ummar nördlich von Hebron getötet worden sein. Die Armee sagte, sie prüfe die Berichte.

Die ohnehin schon angespannte Lage im israelisch besetzten Westjordanland hat sich seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas am 7. Oktober noch einmal erheblich verschärft. Israels Militär hat seitdem dort nach eigenen Angaben mehr als 1.000 Terrorverdächtige festgenommen, darunter viele Hamas-Mitglieder. In den gut drei Wochen seit dem brutalen Terrorangriff der Islamistenorganisation auf Israel starben im Westjordanland bei Auseinandersetzungen mit der Armee und radikalen jüdischen Siedlern mindestens 123 Palästinenser.

Die Hamas hatte am 7. Oktober bei einem beispiellosen Großangriff auf Israel nach israelischen Angaben mindestens 1.400 Menschen getötet und mindestens 240 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion auf den Hamas-Angriff hat Israel den Gazastreifen unter Dauerbeschuss genommen. Durch die israelischen Bombardierungen wurden nach nicht unabhängig überprüfbaren Angaben der Hamas seit dem 7. Oktober mehr als 8.500 Palästinenser getötet, darunter mehr als 3.500 Kinder.